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Das Bundesverfassungsgericht hat auf die Verfassungsbeschwerde eines Verlages hin entschieden, dass Journalisten bei berechtigtem Interesse ein Einsichtsrecht in das Grundbuch haben.
1. Die Beschwerdeführerin (Bf) gibt die Zeitschrift "Wirtschaftswoche" heraus. Sie beantragte beim Grundbuchamt - zunächst ohne weitere Darlegungen ihres Rechercheinteresses -, einer Redakteurin Einsicht in bestimmte Grundbuchblätter zu gewähren. Das Amtsgericht wies sie darauf hin, dass Voraussetzung für die Gewährung der Grundbucheinsicht die Anhörung des in den betreffenden Grundbüchern eingetragenen Eigentümers und die Abwägung der von der Presse wahrgenommenen öffentlichen Interessen mit dem Individualinteresse des Eigentümers sei. Nach der Ablehnung des Antrags durch das Amtsgericht legte die Bf im Beschwerdeverfahren beim Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) zwar "vorsorglich" dar, in welchem Zusammenhang sie für eine Recherche über die als Grundstückseigentümerin eingetragene KG die Einsichtnahme begehre. Unter keinen Umständen solle jedoch die Grundstückseigentümerin nach Konkretisierung des Recherchevorhabens unterrichtet und zur Interessenabwägung angehört werden.
Das OLG wies die Beschwerde zurück. Zwar könne auch der Presse das Recht auf Grundbucheinsicht nach § 12 Grundbuchordnung (GBO) zustehen, da auch ein öffentliches Interesse als berechtigtes Interesse im Sinne dieser Norm anzuerkennen sei. In solchen Fällen müsse aber der Eigentümer vor Gestattung der Einsicht zur sachgerechten Abwägung seiner Interessen mit denen des Antragstellers angehört werden.
Mit der Vb rügt die Bf die Verletzung der Pressefreiheit in Gestalt der Freiheit der Informationsgewinnung. Gebe das Grundbuchamt die ihm gegenüber dargelegten Informationen an den Betroffenen weiter, sei dieser in die Lage versetzt, die weitere Recherche zu unterlaufen, insbesondere Mitwisser zum Schweigen zu veranlassen.
2. Mit Beschluss vom 28. August 2000 hat die 1. Kammer des Ersten Senats den angegriffenen Beschluss aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen:
a) Die Pressefreiheit ist durch die Auslegung und Anwendung des § 12 Abs. 1 GBO durch das OLG verletzt worden. Der Staat ist - auch unabhängig von subjektiven Berechtigungen Einzelner - verpflichtet, in seiner Rechtsordnung überall dort, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen. Im Ausgangspunkt hat das OLG § 12 GBO in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dahingehend ausgelegt, dass auch der Presse auf Grund der Wahrnehmung öffentlicher Interessen grundsätzlich ein Recht auf Grundbucheinsicht zustehen kann. Auf der anderen Seite genießt auch die Rechtsposition des im Grundbuch Eingetragenen grundrechtlichen Schutz. Wenn Dritten eine Grundbucheinsicht gewährt wird, liegt darin - bei Privatpersonen - ein Eingriff in das auf diese Daten bezogene informationelle Selbstbestimmungsrecht bzw. - bei juristischen Personen - in die als Bestandteil der allgemeinen Handlungsfreiheit geschützte Freiheit im wirtschaftlichen Verkehr. Bei der Rechtssetzung und Rechtsanwendung sind die widerstreitenden Grundrechtspositionen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.
b) Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das OLG das Einsichtsrecht der Presse von einer Darlegung des Einsichtsinteresses abhängig gemacht hat, die auch im Regelfall der Einsichtnahme nach § 12 GBO vorgesehen ist. Allerdings müssen die Anforderungen an das berechtigte Interesse selbst und an dessen Darlegung der Besonderheit einer freien Presse Rechnung tragen. Die Presse muss nach publizistischen Kriterien entscheiden dürfen, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält und was nicht. Das von der Presse dargelegte Informationsinteresse muss vom Grundbuchamt als solches - also nach Prüfung seines Bestehens ohne eigene Bewertung - dem weiteren Vorgehen zugrunde gelegt werden. Ferner ist zu respektieren, dass die Presse regelmäßig auch auf einen bloßen, und sei es auch nur schwachen, Verdacht hin recherchiert, ja dass es geradezu Anliegen einer Recherche ist, einem Verdacht nachzugehen. Das Grundbuchamt hat zu prüfen, ob die Einsichtnahme geeignet ist, um dem Informationsanliegen Rechnung zu tragen. Dazu gehört die Prüfung, ob das Informationsinteresse sich auf Rechte der im Grundbuch Eingetragenen bezieht, für die Einsicht verlangt wird. Zum Prüfungsprogramm gehört ferner, ob die Presse sich bei der Einsichtnahme auf das zur Recherche Erforderliche begrenzt und ob sie in unproblematischer Weise andere Mittel nutzen könnte, um die von ihr erwünschten Informationen unter geringerer Beeinträchtigung des Persönlichkeitsschutzes der Eingetragenen zu erhalten. Hierbei darf das Grundbuchamt allerdings wegen des Gebots staatlicher Inhaltsneutralität der Presse nicht vorschreiben, wie ein bestimmter Vorgang im Grundbuch zu bewerten ist. Der beabsichtigte Verwertungszweck der Daten durch die Presse kann im Rahmen der Angemessenheitsprüfung bedeutsam werden. Das Zugangsinteresse der Presse hat regelmäßig insbesondere Vorrang, wenn es um Fragen geht, die die Öffentlichkeit wesentlich angehen und wenn die Recherche der Aufbereitung einer ernsthaften und sachbezogenen Auseinandersetzung dient.
c) Soweit das OLG darüber hinaus jedoch eine Anhörung des Eigentümers des Grundstücks grundsätzlich für geboten hält, lässt sich dies mit dem Grundrecht der Pressefreiheit nicht vereinbaren. Es ist nicht Aufgabe des Eigentümers, sondern die des Grundbuchamts, die Eignung und Erforderlichkeit der Einsichtnahme zu überprüfen. Nach der Systematik der Grundbuchordnung sind abwägungserheblich nur allgemeine Interessen des Eingetragenen, nicht aber solche, die aus ihrer spezifischen persönlichen Situation folgen. Gegen die unmittelbare Ableitung eines Anhörungsrechts aus der Verfassung spricht, dass ohne nähere gesetzliche Vorgaben ein Risiko der Vereitelung des Informationsinteresses der Presse besteht. Ginge die Presse einem Verdacht des missbilligten Verhaltens nach und müsste das Grundbuchamt den Adressaten des Verdachts von ihren Recherchen informieren, könnte der Rechercheerfolg nachhaltig gefährdet werden, da der Adressat ihrer Nachforschungen zu Gegenmaßnahmen, insbesondere zur Vernichtung von Beweismitteln und ähnlichem schreiten könnte.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 26.07.2011
Quelle: ra-online, Bundesverfassungsgericht (pm/pt)
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Dokument-Nr. 12020
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