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Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar ist.
Die Entscheidung betrifft alleinstehende Erwachsene, die in sogenannten Sammelunterkünften wohnen und sich seit mindestens 18 Monaten rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Ihnen hat der Gesetzgeber ab dem 1. September 2019 einen um 10 % geringeren Bedarf an existenzsichernden Leistungen zugeschrieben, indem nicht mehr die Regelbedarfsstufe 1, sondern die in § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG neu geschaffene „Sonderbedarfsstufe“ der Regelbedarfsstufe 2 zugrunde gelegt wird. Davon betroffen war auch der Kläger des Ausgangsverfahrens ein sri-lankischer Staatsangehöriger, der 2014 in die Bundesrepublik Deutschland einreiste und seit Juli 2015 Leistungen nach § 2 AsylbLG nach der Regelbedarfsstufe 1, erhielt. Nach Ablehnung seines Asylantrags im Jahr 2017 war er von November 2019 bis Februar 2020 in einer Sammelunterkunft untergebracht, im Besitz einer Duldung und vollziehbar ausreisepflichtig. Er teilte sich mit einer Person einen Schlafraum und mit weiteren Personen Küche und Bad. Zwischen ihnen bestand kein Verwandtschaftsverhältnis. Die im Ausgangsverfahren beklagte Stadt bewilligte dem Kläger ab November 2019 Leistungen nach § 2 AsylbLG in Höhe der Regelbedarfsstufe 2, abzüglich Strom- und Energiekosten und abzüglich einer Pauschale für Innenausstattung und Geräte. Der dagegen eingelegte Widerspruch hatte keinen Erfolg. Die Klage zum Sozialgericht zielt auf höhere Leistungen nach Maßgabe der Regelbedarfsstufe 1. Dieses Verfahren hat das Sozialgericht am 13. April 2021 ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG verfassungsgemäß ist, soweit von der Norm alleinstehende erwachsene Leistungsberechtigte erfasst sind.
Die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Die Anwendung der niedrigeren Regelbedarfsstufe 2 auf alleinstehende Erwachsene in Sammelunterkünften verletzt das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Alleinstehende in den Sammelunterkünften, weil sie typischerweise gemeinsam mit anderen dort Wohnenden wirtschaften und dadurch für den Regelbedarf relevante Einsparungen erzielen würden, tatsächlich im Regelfall einen geringeren Bedarf haben als Alleinstehende in einer eigenen Wohnung. Tragfähige Erkenntnisse dazu liegen nicht vor. Der Gesetzgeber hat dazu keine Erhebungen angestellt oder entsprechende Erkenntnisse in dieses Verfahren eingebracht. Die Erwägung, beim notwendigen Bedarf an Nahrung könne eingespart werden, etwa indem Lebensmittel oder zumindest der Küchengrundbedarf in größeren Mengen gemeinsam eingekauft und in den Gemeinschaftsküchen gemeinsam genutzt werde, wird nicht auf Tatsachen gestützt. Vielmehr wird nur eine Erwartung formuliert, ohne zu belegen, dass sie tatsächlich erfüllt wird. Auch die pauschale Annahme, dass in Sammelunterkünften so wie in Paarhaushalten gemeinsam „aus einem Topf“ gewirtschaftet wird, trägt ohne tatsächliche Grundlagen nicht.
Zwar kann der Gesetzgeber den Bezug existenzsichernder Leistungen auch grundsätzlich an die Erfüllung der Obliegenheit knüpfen, tatsächlich eröffnete, hierfür geeignete, erforderliche und zumutbare Möglichkeiten zu ergreifen, die Bedürftigkeit unmittelbar zu vermeiden oder zu vermindern. Doch muss dies auch tatsächlich möglich und zumutbar sein. Das ist nur der Fall, wenn hinreichend gesichert ist, dass in den Sammelunterkünften auch tatsächlich die Voraussetzungen dafür vorliegen, diese Obliegenheit erfüllen und so Einsparungen in entsprechender Höhe erzielen zu können. Dafür haben sich in diesem Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben. Die § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG zugrundeliegende Obliegenheit, durch gemeinsames Wirtschaften in einer Sammelunterkunft den Bedarf an existenzsichernden Leistungen des Staates zu senken, dient dem legitimen Ziel, den Nachranggrundsatz zu verwirklichen und Leistungen auf die Fälle wirklicher Bedürftigkeit der in Deutschland lebenden Menschen zu begrenzen. Sie ist zur Erreichung dieses Ziels auch noch als geeignet und erforderlich anzusehen. Doch ist die auf der Obliegenheit beruhende pauschale
Das gleicht auch die Regelung in § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nicht aus, wonach der Regelsatz im Einzelfall höher festgesetzt wird. Auch dann müsste – anders als hier – durch hinreichend tragfähige Anhaltspunkte belegt sein, dass im Regelfall die Voraussetzungen für den niedrigeren Regelsatz aufgrund von Einsparungen durch gemeinsames Wirtschaften in den Sammelunterkünften vorlägen. Die Regelung zur
Die Verfassungswidrigkeit führt ausnahmsweise nicht zur Nichtigkeit von § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG. Es ist die fortdauernde Anwendung der Norm anzuordnen, da das grundrechtlich garantierte
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 28.11.2022
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)
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