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Transsexuelle dürfen nach einer Geschlechtsumwandlung verheiratet bleiben. Die rechtliche Anerkennung der neuen Geschlechtszugehörigkeit nach einer Geschlechtsumwandlung darf bei einem verheirateten Transsexuellen nicht davon abhängig gemacht werden, dass er sich scheiden lässt. Dies hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Die bisherige Regelung, nach der die rechtliche Anerkennung der neuen Geschlechtszugehörigkeit die Ehelosigkeit des Transsexuellen voraussetzt, muss bis zum 1. August 2009 ersetzt werden.
Der 1929 geborene Antragsteller ist seit 56 Jahren verheiratet. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen. Schon seit langem fühlt er sich dem weiblichen Geschlecht zugehörig. Aufgrund gerichtlicher Entscheidung nach dem
Auf eine Vorlage des Amtsgerichts Schöneberg, das sich im Hinblick auf das gesetzliche Erfordernis der Ehelosigkeit gehindert sah, dem Antrag des Antragstellers zu entsprechen, kam der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts zu dem Ergebnis, dass § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG verfassungswidrig ist. Es ist einem verheirateten Transsexuellen nicht zumutbar, dass seine rechtliche Anerkennung im neuen Geschlecht voraussetzt, dass er sich von seinem Ehegatten, mit dem er rechtlich verbunden ist und zusammenbleiben will, scheiden lässt, ohne dass ihm ermöglicht wird, seine ehelich begründete Lebensgemeinschaft in anderer, aber gleich gesicherter Form fortzusetzen. Dem Gesetzgeber wurde aufgegeben, bis zum 1. August 2009 den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen. Bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung ist § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG (Erfordernis der Ehelosigkeit) nicht anwendbar.
I. § 8 TSG trägt dem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf Anerkennung der selbstbestimmten geschlechtlichen Identität grundsätzlich Rechnung, indem er die personenstandsrechtliche Anerkennung des durch operativen Eingriff geänderten Geschlechts eines Transsexuellen ermöglicht.
Allerdings verlangt § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG als Voraussetzung für die Personenstandsänderung, dass der Betroffene nicht verheiratet ist. Mit dieser Voraussetzung wird ein verheirateter Transsexueller, der erst im Laufe der Ehe seine
II. Diese Beeinträchtigung, die ein verheirateter Transsexueller durch § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG erfährt, ist unverhältnismäßig.
1. Das legitime Anliegen des Gesetzgebers, das Rechtsinstitut der Ehe, die unter dem besonderen Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG steht, als Form des rechtlich abgesicherten Zusammenlebens ausschließlich Mann und Frau, also Partnern verschiedenen Geschlechts, vorzubehalten, ist von hohem Gewicht. Die rechtliche Anerkennung der geänderten Geschlechtszugehörigkeit eines verheirateten Transsexuellen würde dazu führen, dass seine Ehe von Partnern des gleichen Geschlechts fortgeführt würde.
2. Demgegenüber wiegt aber auch die Beeinträchtigung schwer, die ein verheirateter Transsexueller durch § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG erfährt. Insbesondere wird die bestehende Ehe des Betroffenen in erheblichem Maße beeinträchtigt. Drängt der Staat Ehegatten zur Scheidung ihrer Ehe, dann läuft dies nicht nur dem Strukturmerkmal der Ehe als dauerhafter Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft zuwider. Es wird damit auch der bestehenden Ehe der ihr von Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistete Schutz entzogen. Dieser Schutz entfällt nicht dadurch, dass der transsexuelle Ehegatte während der Ehe durch operative Eingriffe seine äußeren Geschlechtsmerkmale dem empfundenen Geschlecht anpasst. Damit wird die Ehe zwar im Tatsächlichen und nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nunmehr von gleichgeschlechtlichen Partnern geführt. Sie ist aber weiterhin eine dauerhafte Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft von zwei Ehegatten. Hinzukommt, dass auch der Ehegatte des Transsexuellen eine starke Beeinträchtigung des Schutzes seiner Ehe erfährt. Auch er wird dem Entscheidungskonflikt ausgesetzt, entweder an der Ehe festzuhalten, damit aber zu verhindern, dass sein Ehegatte die rechtliche Anerkennung seiner Geschlechtsidentität findet, oder sich gegen den eigenen Willen von seinem Partner scheiden zu lassen und damit nicht nur die Trennung von ihm auf sich zu nehmen, sondern auch die mit der Ehe verbundene rechtliche Absicherung zu verlieren.
3. Das gesetzgeberische Interesse am Erhalt des Instituts der Ehe als Vereinigung von Mann und Frau muss grundsätzlich nicht hinter das Interesse eines gleichgeschlechtlichen Ehepaares am Erhalt ihrer Ehe zurücktreten, ebenso wie sich der Gesetzgeber nicht ohne weiteres über das Interesse eines Ehepaares an der Beibehaltung ihrer bestehenden Ehe hinwegsetzen kann. Allerdings fällt hier ins Gewicht, dass durch die Regelung konkret gelebte Beziehungen in eine existentiell erfahrene Krise geführt werden. Es geht um das weitere Schicksal eines gemeinsam gegangenen Lebensweges und damit um Folgen von subjektiv existentieller Dimension. Demgegenüber wird das Prinzip der Verschiedengeschlechtlichkeit angesichts der konkreten Umstände nur am Rande berührt. Es handelt sich bei den hier in Rede stehenden Fällen nur um eine geringe Zahl von Transsexuellen, die erst während der Ehe ihre
Entscheidend für die Gewichtung ist insbesondere das Zusammenspiel von Art. 6 Abs. 1 GG mit dem ebenfalls grundrechtlich geschützten Recht auf Anerkennung der selbstbestimmten geschlechtlichen Identität. Die besondere Belastung, die § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG mit sich bringt, liegt darin, dass sie zur Durchsetzung des gesetzgeberischen Willens die Realisierung des einen Grundrechts von der Aufgabe des anderen abhängig macht. Dies führt die Betroffenen nicht nur in eine kaum zu lösende innere Konfliktlage, sondern auch zu einer unzumutbaren Grundrechtsbeeinträchtigung. § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG ist daher verfassungswidrig, weil er einem verheirateten Transsexuellen nicht die Möglichkeit einräumt, die rechtliche Anerkennung seiner neuen Geschlechtszugehörigkeit zu erlangen, ohne seine Ehe beenden zu müssen.
III. Es liegt in der Entscheidung des Gesetzgebers, auf welche Weise er die Verfassungswidrigkeit behebt. Will er nicht zulassen, dass Paare in der Ehe verbleiben, bei denen es durch Feststellung der geänderten Geschlechtszugehörigkeit des transsexuellen Ehegatten zu einer personenstandsrechtlichen Gleichgeschlechtlichkeit kommt, ist ihm dies unbenommen, da sein Anliegen Art. 6 Abs. 1 GG Rechnung trägt. Er muss dann aber Sorge tragen, dass die bisherige Ehe des Transsexuellen jedenfalls als rechtlich gesicherte Verantwortungsgemeinschaft fortbestehen kann. So kann er sie in eine Eingetragene Lebenspartnerschaft oder eine rechtlich abgesicherte Lebensgemeinschaft sui generis überführen, muss dabei aber dafür Sorge tragen, dass die erworbenen Rechte und auferlegten Pflichten aus der Ehe dem Paar ungeschmälert erhalten bleiben.
Angesichts der geringen Zahl der betroffenen verheirateten Transsexuellen kann der Gesetzgeber sich aber auch dafür entscheiden, ihnen die Möglichkeit der rechtlichen Anerkennung ihres geänderten Geschlechts bei Fortführung ihrer Ehe zu eröffnen und dafür § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG zu streichen.
IV. Angesichts der Schwere der Beeinträchtigung, die ein verheirateter Transsexueller durch die Versagung der rechtlichen Anerkennung einer empfundenen und gewandelten Geschlechtszugehörigkeit erfährt, wird § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung für nicht anwendbar erklärt.
Die Entscheidung ist zu Ziff. IV mit 7 : 1 Stimmen, im Übrigen einstimmig ergangen.
§ 8 Abs. 1 Nr. 2 des Transsexuellengesetzes ist mit Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG nicht vereinbar, weil er einem verheirateten Transsexuellen, der sich geschlechtsändernden Operationen unterzogen hat, die Möglichkeit, die personenstandsrechtliche Anerkennung seiner neuen Geschlechtszugehörigkeit zu erhalten, nur einräumt, wenn seine Ehe zuvor geschieden wird.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 23.07.2008
Quelle: ra-online, Bundesverfassungsgericht
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