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Die 1996 mit dem Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz beschlossenen und seit dem 1.1.1997 geltenden Kürzungen der Rentenanwartschaften für Ausbildungszeiten sind nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zulässig.
Um die zu Beginn des Berufslebens eines Versicherten in der Regel niedrigen Verdienste in der gesetzlichen Rentenversicherung angemessen auszugleichen, sah das Rentenreformgesetz von 1992 eine besondere Regelung vor: Danach wurden die ersten vier Berufsjahre eines Versicherten, die vor seinem vollendeten 25. Lebensjahr lagen, als Pflichtbeitragszeiten bei der Rentenberechnung insoweit besonders berücksichtigt, als diese Zeiten mit mindestens 90 Prozent des allgemeinen Durchschnittsverdienstes aller Versicherten in die Berechnung einflossen. Nach dem Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz von 1996 werden seit dem 1. Januar 1997 grundsätzlich nur noch drei Jahre mit Pflichtbeitragszeiten vor Vollendung des 25. Lebensjahres pauschal berücksichtigt. Diese Zeiten fließen nunmehr mit einem Wert von 75 Prozent des Wertes, der sich für alle individuellen Anrechnungszeiten des Versicherten aus seinem ganzen Berufsleben ergibt, in die Berechnung der Rente ein. Jedoch werden maximal 75 Prozent des allgemeinen Durchschnittsverdienstes aller Versicherten berücksichtigt.
Diese Neubewertung wirkt sich für die gesetzlich Versicherten auf ganz unterschiedliche Weise aus. Bei Versicherten, die durchgängig eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt haben, führt sie nur zu einer verhältnismäßig geringen Kürzung der in Frage stehenden Rentenanwartschaft der ersten Berufsjahre. Besonders beschwert sind dagegen solche Personen, die nach der Berufsausbildung einige Jahre versicherungspflichtig beschäftigt waren, wegen eines Wechsels in die Selbständigkeit aber der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr angehören oder nur noch Mindestbeiträge zahlen, um sich bestimmte rentenrechtliche Vorteile zu erhalten.
Auf eine Vorlage des Bundessozialgerichts hin hat sich der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift – beschränkt auf den letztgenannten Personenkreis – befasst und festgestellt, dass die Minderung der rentenrechtlichen Bewertung der ersten Berufsjahre durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz von 1996 verfassungsgemäß ist. Insbesondere verletzt die gesetzliche Regelung nicht die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz für Rentenanwartschaften schließt deren Umgestaltung durch eine Änderung des Rentenversicherungsrechts nicht schlechthin aus. Entgegen der Auffassung des Bundessozialgerichts sind dabei auch Eingriffe in die Anwartschaften von Versicherten verfassungsrechtlich zulässig, die bei In-Kraft-Treten der Neuregelung das 55. Lebensjahr vollendet haben. Der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG kann nicht entnommen werden, dass rentenrechtliche Anwartschaften allein aufgrund eines bestimmten Lebensalters des Versicherten einen gesteigerten verfassungsrechtlichen Bestandsschutz gegenüber wertmindernden Eingriffen durch den Gesetzgeber aufweisen.
Der in der gesetzlichen Regelung liegende Eingriff in die Anwartschaft ist durch Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt. Die wirtschaftliche Situation der Rentenversicherungsträger war in der ersten Hälfte der 1990er Jahre durch einen massiven Anstieg der Ausgaben gekennzeichnet, denen kein ausreichendes Beitragsaufkommen gegenüberstand. Der Gesetzgeber durfte die nachteiligen Folgen dieser Situation für Beitragszahler, Wirtschaft und Arbeitsmarkt als gewichtig bewerten und Maßnahmen ergreifen, um das Ausgabenvolumen der gesetzlichen Rentenversicherung zu begrenzen. Der Eingriff ist auch verhältnismäßig. Maßgeblich für die Höhe des mit der Neuregelung einhergehenden Wertverlustes sind (bezogen auf den in Frage stehenden Personenkreis) die Versicherungslücken des Versicherten. Diese sind dessen Sphäre zuzuordnen; der Versicherte kann in der Regel selbst entscheiden, ob und in welcher Höhe er nach Beendigung seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung freiwillige Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung zur Schließung versicherungsbiografischer Lücken leistet. Ihm muss dabei bewusst sein, dass niedrige freiwillige Beiträge und ganz besonders Versicherungslücken grundsätzlich unabhängig von der Frage der Bewertung der ersten Berufsjahre zu einer niedrigeren gesetzlichen Rente führen und er daher auf eine ergänzende private oder anderweitige Vorsorge verwiesen ist. Diese Vorsorge ist den Betroffenen aufgrund der „ersparten“ Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung auch grundsätzlich zumutbar. Der Gesetzgeber durfte daher davon ausgehen, dass Versicherte mit hohen, selbst verantworteten Versicherungslücken regelmäßig über eine ausreichende ergänzende Altersvorsorge verfügen.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 27.03.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 33/2007 des Bundesverfassungsgerichts vom 27.03.2007
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