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Bundessozialgericht, Urteil vom 13.08.2014
B 6 KA 6/14 R -

Keine höhere Vergütung für Vertragsärzte durch Neubestimmung des Behandlungsbedarfs ohne Anknüpfung an das Vorjahr

Entscheidung des Landesschiedsamtes für die vertragsärztliche Versorgung in Sachsen-Anhalt wurde aufgehoben

Die zur Vereinbarung der Gesamtvergütung berufenen Vertragspartner (Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen - KÄV) in den einzelnen KÄV-Bezirken dürfen für das Jahr 2013 die Grundlage für die jährliche Vergütungsanpassung nicht losgelöst von der Höhe der für das Vorjahr gezahlten Vergütungen festsetzen. Diese Grundlage darf insbesondere nicht mit der Begründung verändert werden, dass bereits die Vergütung des Vorjahres verglichen mit anderen KÄV-Bezirken und unter Berücksichtigung der Morbidität (Erkrankungshäufigkeit) zu gering gewesen sei. Maßgebend ist vielmehr die Veränderung der Morbiditätsstruktur gegenüber dem Vorjahr. Das hat der für das Vertragsarzt-recht zuständige 6. Senat des Bundessozialgerichts am 13. August 2014 entschieden und damit die Rechtsauffassung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt bestätigt. Dies hat das Bundessozialgericht entschieden.

Das beklagte Landesschiedsamt muss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts neu über die Höhe der Gesamtvergütung für das Jahr 2013 entscheiden. Dabei muss es den zur Berechnung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung maßgeblichen Behandlungsbedarf des Jahres 2012 zu Grunde legen und auf dieser Basis die weitere Anpassung entsprechend der Veränderung der Morbiditätsstruktur vornehmen. Die Entscheidung des Landesschiedsamtes, den Bedarf für das Jahr 2012 vorab um insgesamt 12 % - jeweils 4 % verteilt auf die Jahre 2013 bis 2015 - zu erhöhen, widerspricht dem Gesetz. Deshalb hatte die Revision der zum Verfahren beigeladenen KÄV Sachsen-Anhalt keinen Erfolg.

Deutliche Abweichungen über Höhe der Vergütung zwischen den KÄV-Bezirken

Aus der Gesamtvergütung werden die vertragsärztlichen Honorare im ambulanten Bereich gezahlt. Zwischen den KÄV-Bezirken gibt es deutliche Abweichungen in der Höhe der Vergütung. Insbesondere aus KÄV-Bezirken mit vergleichsweise niedriger Gesamtvergütung wird eine Angleichung an das Vergütungsniveau in anderen KÄV-Bezirken gefordert. Entsprechende Forderungen gibt es - neben Sachsen-Anhalt - auch aus Brandenburg, Nordrhein, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Thüringen und Westfalen-Lippe.

Gestaltungsspielraum bei Vergütungsvereinbarung berechtigt nicht zu Abweichungen von gesetzlichen Vorgaben

§ 87 a Abs. 4 SGB V schreibt für die Anpassung des Behandlungsbedarfs die Anknüpfung an den für das Vorjahr vereinbarten und bereinigten Behandlungsbedarf vor. Dieser Grundsatz ist für das Jahr 2013 nicht außer Kraft gesetzt worden. Zwar haben die Vertragspartner einen erheblichen Gestaltungsspielraum bei der Vereinbarung der Vergütungen vertragsärztlicher Leistungen ab dem Jahr 2013. Dieser berechtigt jedoch nicht zu einem Abweichen von den gesetzlichen Vorgaben. Soweit das Landesschiedsamt den Behandlungsbedarf für die Jahre 2014 und 2015 erhöht hat, ist der Schieds-spruch auch deshalb rechtswidrig, weil dieser nur den Zeitraum (Gesamtvergütung für das Jahr 2013) zum Gegenstand haben kann, auf den sich die gescheiterten Verhandlungen bezogen haben.

Mittelwert zwischen Behandlungsdiagnosen und Demographie als Orientierungshilfe

Die Veränderung der Morbiditätsstruktur ist nach § 87 a Abs. 1 Satz 3 SGB V jeweils jahresbezogen auf der Grundlage einer "gewichteten Zusammenfassung" vertragsärztlicher Behandlungsdiagnosen einerseits sowie demografischer Kriterien (Alter und Geschlecht) andererseits zu vereinbaren. Dabei dürfen sich die Vertragspartner grundsätzlich am Mittelwert zwischen den beiden Parametern (Behandlungsdiagnosen und Demographie) orientieren. Abweichungen vom Mittelwert sind zulässig, bedürfen aber einer konkreten Begründung, die sich nicht - wie vorliegend geschehen - in dem Hinweis auf die in der Vergangenheit unzureichend berücksichtigte Morbidität erschöpfen darf. Dies wird das Landesschiedsamt, das seiner Entscheidung allein den höheren der beiden Werte zu Grunde gelegt hatte, bei der erneuten Entscheidung zu berücksichtigen haben.

Rechtsvorschriften

§ 87 a SGB V

...

(4) Grundlage der Vereinbarung über die Anpassung des Behandlungsbedarfs jeweils aufsetzend auf dem insgesamt für alle Versicherten mit Wohnort im Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung für das Vorjahr nach Absatz 3 Satz 2 vereinbarten und bereinigten Behandlungsbedarf sind insbesondere Veränderungen

1. der Zahl der Versicherten der Krankenkasse mit Wohnort im Bezirk der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung,

2. der Morbiditätsstruktur der Versicherten aller Krankenkassen mit Wohnort im Bezirk der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung,

3. von Art und Umfang der ärztlichen Leistungen, soweit sie auf einer Veränderung des gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungsumfangs der Krankenkassen oder auf Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 135 Absatz 1 beruhen,

4. des Umfangs der vertragsärztlichen Leistungen aufgrund von Verlagerungen von Leistungen zwischen dem stationären und dem ambulanten Sektor und

5. des Umfangs der vertragsärztlichen Leistungen aufgrund der Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven bei der vertragsärztlichen Leistungserbringung; dabei sind die Empfehlungen und Vorgaben des Bewertungsausschusses gemäß Absatz 5 zu berücksichtigen. Bei der Ermittlung des Aufsatzwertes für den Behandlungsbedarf nach Satz 1 für eine Krankenkasse ist ihr jeweiliger Anteil an dem insgesamt für alle Versicherten mit Wohnort im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung für das Vorjahr vereinbarten, bereinigten Behandlungsbedarf entsprechend ihres aktuellen Anteils an der Menge der für vier Quartale abgerechneten Leistungen jeweils nach sachlich-rechnerischer Richtigstellung anzupassen. Die jeweils jahresbezogene Veränderung der Morbiditätsstruktur im Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung ist auf der Grundlage der vertragsärztlichen Behandlungsdiagnosen gemäß § 295 Absatz 1 Satz 2 einerseits sowie auf der Grundlage demografischer Kriterien (Alter und Geschlecht) andererseits durch eine gewichtete Zusammenfassung der vom Bewertungsausschuss als Empfehlungen nach Absatz 5 Satz 2 bis 4 mitgeteilten Raten zu vereinbaren. Falls erforderlich, können weitere für die ambulante Versorgung relevante Morbiditätskriterien herangezogen werden.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 20.08.2014
Quelle: Bundessozialgericht/ ra-online

Vorinstanz:
  • Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13.11.2013
    [Aktenzeichen: L 9 KA 4/13 KL]
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