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Wenn sich Eltern beharrlich weigern, ihre Kinder der öffentlichen Grundschule oder einer anerkannten Ersatzschule zuzuführen, stellt dies einen Missbrauch der elterlichen Sorge dar. Eltern sind auch dann nicht berechtigt, ihre Kinder der Schulpflicht zu entziehen, wenn einzelne Lehrinhalte oder -methoden der Schule ihren Glaubensüberzeugungen entgegenstehen. Der teilweise Entzug der elterlichen Sorge und die Anordnung der Pflegschaft seien im Grundsatz geeignet und auch verhältnismäßig, dem Missbrauch der elterlichen Sorge entgegenzuwirken, entschied der Bundesgerichtshof.
Der Bundesgerichtshof hatte sich in zwei Fällen mit der Frage zu befassen, welche sorgerechtlichen Konsequenzen sich für Eltern ergeben, die ihre Kinder aus Glaubensgründen der allgemeinen
In beiden Fällen waren die Eltern Mitglieder einer christlichen Glaubensgemeinschaft und – zusammen mit anderen Mitgliedern dieser Gemeinschaft – als Spätaussiedler nach Deutschland gekommen. Sie hatten der öffentlichen Grundschule mitgeteilt, dass sie künftig zwei jüngere ihrer mehreren Kinder zu Hause unterrichten würden, da deren Erziehung und Bildung in der öffentlichen Grundschule mit ihren Glaubensüberzeugungen nicht vereinbar seien. Weder Gespräche mit Schulleitung, Bezirksregierung und Integrationsbeauftragtem noch die Verhängung eines Bußgeldes führten dazu, dass die Eltern ihre Kinder zum Schulunterricht brachten; ein Zwangsgeldverfahren wurde nicht erfolgreich abgeschlossen. Daraufhin entzog das Familiengericht den Eltern im Wege der einstweiligen Anordnung die
Im Hinblick auf den Wohnsitz der Eltern in Deutschland hat der Bundesgerichtshof die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ebenso bejaht wie die Frage, ob die Kinder weiterhin der deutschen
In der Sache hat der Bundesgerichtshof die – auf Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts gestützte - Auffassung der Vorinstanzen bestätigt, dass der Besuch der staatlichen Grundschule dem legitimen Ziel der Durchsetzung des staatlichen Erziehungsauftrags diene. Die Allgemeinheit habe ein berechtigtes Interesse daran, der Entstehung von religiös oder weltanschaulich geprägten "Parallelgesellschaften" entgegenzuwirken und Minderheiten auf diesem Gebiet zu integrieren. Integration setze dabei auch voraus, dass religiöse oder weltanschauliche Minderheiten sich nicht selbst abgrenzten und sich einem Dialog mit Andersdenkenden und –gläubigen nicht verschlössen. Dies im Sinne gelebter Toleranz einzuüben und zu praktizieren sei eine wichtige Aufgabe der Grundschule.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs stellt sich die beharrliche Weigerung der Eltern, ihre Kinder der öffentlichen Grundschule oder einer anerkannten Ersatzschule zuzuführen, deshalb als Missbrauch der elterlichen Sorge dar. Eltern sind auch dann nicht berechtigt, ihre Kinder der
Beanstandet hat der Bundesgerichtshof allerdings in beiden Fällen die Bestellung der Stadt P. (Jugendamt) zum Pfleger für die Kinder. Denn dieser Pfleger habe sich offenkundig als in diesen Fällen ungeeignet erwiesen, den Gefahren für das Kindeswohl effektiv zu begegnen. Der Pfleger habe erst die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Kinder nach Österreich umgemeldet worden seien; sodann habe er die Möglichkeit, die Kinder in Österreich dem Hausunterricht zuzuführen, durch eine entsprechende Antragstellung bei den österreichischen Behörden selbst eröffnet. Damit sei der Erfolg eingetreten, den die Eltern von vornherein erstrebt hätten, nämlich die häusliche Unterrichtung der Kinder durch ihre pädagogisch nicht vorgebildete Mutter – dies allerdings nicht in Deutschland, sondern in Österreich. Es sei nicht ersichtlich, dass die vom Familiengericht – nunmehr im Hauptsacheverfahren - verfügte Übertragung des Sorgerechts in Schulangelegenheiten sowie des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Stadt P. (Jugendamt) an der von der Stadt als Pfleger selbst herbeigeführten Situation etwas ändere. Der Bundesgerichtshof hat deshalb die Bestellung der Stadt als Pfleger aufgehoben und die Sache insoweit an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, damit dieses durch die Auswahl eines geeigneten Pflegers oder durch gerichtliche Weisungen sicherstelle, dass die Kinder ihrer
Identischer Leitsatz für die Entscheidungen mit den Az. XII ZB 41/07 und XII ZB 42/07
BGB §§ 11 Satz 1, 1666, 1666 a;
Brüssel IIa-VO Art. 8 Abs. 1;
NRWSchulG §§ 34, 41;
NRWVerf Art. 8 Abs. 2
Weigern sich Eltern beharrlich, ihre Kinder der öffentlichen Grundschule oder einer anerkannten Ersatzschule zuzuführen, um ihnen statt dessen selbst "Hausunterricht" zu erteilen, so kann darin ein Missbrauch der elterlichen Sorge liegen, der das Wohl der Kinder nachhaltig gefährdet und Maßnahmen des Familiengerichts nach §§ 1666, 1666 a BGB erfordert.
Die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und des Rechts zur Regelung von Schulangelegenheiten in Verbindung mit der Anordnung einer Pflegschaft ist in solchen Fällen im Grundsatz zur Abwehr der Gefahr geeignet und verhältnismäßig.
Ein vom Familiengericht bestellter Pfleger ist jedoch zur Wahrnehmung seiner Aufgaben im Einzelfall offenkundig ungeeignet, wenn er bereits im einstweiligen Anordnungsverfahren zum Pfleger bestellt worden war und in dieser Eigenschaft die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass die Eltern ihre Kinder ins Ausland verbracht haben und ihnen dort nunmehr - wie von ihren Eltern bezweckt - auf Antrag des Pflegers "Hausunterricht" erteilt wird.
Die gleichzeitige Bestellung eines solchen Pflegers stellt zwar die Rechtsmäßigkeit des teilweisen Sorgerechtsentzugs und der Anordnung der Pflegschaft als solche nicht in Frage. Sie ist, weil sie die Wirksamkeit dieser an sich sachgerechten Maßnahmen unterläuft, aber - für sich genommen - rechtsfehlerhaft.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 16.11.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 175/07 des BGH vom 16.11.2007
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Dokument-Nr. 5164
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