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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.06.2012
XII ZB 24/12 -

Fixierung eines Betreuten bedarf richterlicher Genehmigung

Diesbezügliche Generalvollmacht für Betreuer unbeachtlich

Das Anbringen von Bettgittern sowie die Fixierung im Stuhl mittels Beckengurts, stellen freiheitentziehende Maßnahmen im Sinne des § 1906 Abs. 4 BGB dar. Das Selbstbestimmungs­recht des Betroffenen wird nicht dadurch verletzt, dass die Einwilligung eines von ihm Bevollmächtigten in eine freiheits­entziehende Maßnahme der gerichtlichen Entscheidung bedarf. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall erteilte die 1922 geborene Betroffene ihrem Sohn und ihrer Tochter eine Generalvollmacht. Diese enthielt unter anderem folgenden Passus: "Die Generalvollmacht umfasst auch die Befugnis zu Unterbringungsmaßnahmen im Sinne von § 1906 BGB, insbesondere zu einer Unterbringung, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist […] sowie zur Vornahme von sonstigen Freiheitsentziehungsmaßnahmen durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente o.a. auch über einen längeren Zeitraum." In Ausübung der Vollmacht willigte der Sohn ein, Bettgitter am Bett der Betroffenen anzubringen und sie tagsüber im Stuhl mittels eines Beckengurts zu fixieren. Die Betroffene war mehrfach gestürzt und hatte sich ein Kieferbruch zugezogen. Das Betreuungsgericht genehmigte die Einwilligung befristet. Dagegen wendete sich der Sohn mit seiner Beschwerde. Nach seiner Meinung, sei eine betreuungsgerichtliche Genehmigung entbehrlich und das durchgeführte Genehmigungsverfahren habe das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen verletzt.

Freiheitsentziehung lag vor

Der Bundesgerichtshof entschied gegen den Beschwerdeführer.

Zunächst lag eine freiheitsentziehende Maßnahme vor. § 1906 Abs. 4 BGB schützt die körperliche Bewegungsfreiheit und die Entschließungsfreiheit zur Fortbewegung im Sinne der Aufenthaltsfreiheit. Das Anbringen von Bettgittern sowie die Fixierung im Stuhl mittels Beckengurt stellen einer Freiheitsentziehung dar. Denn es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass die Betroffene in der Lage war, das Bett durch ihren natürlichen Willen gesteuert zu verlassen. Die Betroffene war nach Angaben des Pflegepersonals noch in der Lage, selbständig sowohl aus dem Bett als auch aus dem Stuhl aufzustehen.

Genehmigungsvorbehalt des Betreuungsgerichts

Nach § 1906 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 2 BGB sind solche Maßnahmen nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts zulässig. Der Genehmigungsvorbehalt dient dem Schutz des Betroffenen. Das Betreuungsgericht hat daher, nach Auffassung des BGH, nicht nur zu prüfen, ob die Vorsorgevollmacht rechtswirksam erteilt worden ist, ob sie die Einwilligung in freiheitsentziehende Maßnahmen umfasste und auch nicht zwischenzeitlich widerrufen worden ist. Es soll insbesondere prüfen, ob eine Gefährdungslage nach § 1906 Abs. 1 BGB vorlag. Das Betreuungsgericht kontrolliert daher nicht die in Ausübung des Selbstbestimmungsrechts erfolgte Entscheidung des Betroffenen, sondern die gesetzesgemäße Handhabung der Vorsorgevollmacht durch den Bevollmächtigten. Diese Kontrolle dient der Sicherung des artikulierten Willens des Betroffenen (BVerfG FamRZ 2009, 945).

Beschränkung des Selbstbestimmungsrechts gerechtfertigt

Der BGH führte weiter aus, dass die gerichtliche Kontrolle durchaus eine Beschränkung des Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen darstellt. Ihm wird die Möglichkeit genommen, eine Vorsorgevollmacht über freiheitentziehende Maßnahmen frei von gerichtlicher Kontrolle zu erteilen. Diese Beschränkung war jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit nicht schrankenlos, sondern nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung. Diese sieht ein Genehmigungsverfahren nach § 1906 Abs. 2 BGB zwingend vor.

der Leitsatz

BGB § 1906

a) Das Anbringen von Bettgittern sowie die Fixierung im Stuhl mittels eines Beckengurts stellen freiheitsentziehende Maßnahmen im Sinne des § 1906 Abs. 4 BGB dar, wenn der Betroffene durch sie in seiner körperlichen Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird. Dieses ist dann der Fall, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Betroffene zu einer willensgesteuerten Aufenthaltsveränderung in der Lage wäre, an der er durch die Maßnahmen gehindert wird.

b) Das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen wird nicht dadurch verletzt, dass die Einwilligung eines von ihm Bevollmächtigten in eine freiheitsentziehende Maßnahme der gerichtlichen Genehmigung bedarf.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 01.10.2012
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Heilbronn, Beschluss vom 23.09.2011
    [Aktenzeichen: 5 XVII 362/11]
  • Landgericht Heilbronn, Beschluss vom 15.12.2011
    [Aktenzeichen: 1 T 437/11 Ri]
Aktuelle Urteile aus den Rechtsgebieten:
Fundstellen in der Fachliteratur:
  • JuS 2013, 260Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 2013, Seite: 260
  • MDR 2012, 970Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2012, Seite: 970
  • NJW-RR 2012, 1281Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2012, Seite: 1281

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