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Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.05.2014
VIII ZR 94/13 -

Mängel­beseitigungs­kosten von mehr als fünf Prozent des Kaufpreises rechtfertigen Rücktritt vom Kaufvertrag

BGH zum Ausschluss des Rücktrittsrechts bei einem unerheblichen Sachmangel

Der Bundesgerichtshof hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, unter welchen Umständen ein Sachmangel "unerheblich" im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB* ist, so dass der Käufer vom Kaufvertrag nicht zurücktreten kann. Die Richter entschieden, dass bei einem behebbaren Sachmangel die Erheblichkeits­schwelle in der Regel bereits dann erreicht ist, wenn der Mängel­beseitigungs­aufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises überschreitet. Von einem geringfügigen Mangel, kann hingegen in der Regel noch gesprochen werden, wenn der Mängel­beseitigungs­aufwand die vorgenannte flexible Schwelle von fünf Prozent des Kaufpreises nicht übersteigt.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls begehrt von dem beklagten Autohaus die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen zum Preis von 29.953 Euro erworbenen Neuwagen. Nach der Übergabe des Fahrzeugs machte er verschiedene Mängel geltend, unter anderem Fehlfunktionen des akustischen Signals und das völlige Fehlen des optischen Signals der Einparkhilfe. Wegen der Mängel suchte er wiederholt das Autohaus der Beklagten und eine andere Vertragswerkstatt auf und setzte schließlich - erfolglos - in Bezug auf einige Mängel, darunter die Mängel an der Einparkhilfe, eine letzte Frist zur Mängelbeseitigung. Die Beklagte teilte dem Kläger hierauf schriftlich mit, die Einparkhilfe funktioniere nach einem vorangegangenen Nachbesserungsversuch einwandfrei und entspreche dem Stand der Technik. Der Kläger erklärte daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag. Mit seiner Klage begehrt er die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung, insgesamt 27.257,23 Euro.

Vorinstanzen verneinen Anspruch auf Rücktritt vom Kaufvertrag

Das Landgericht Stuttgart wies die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens ab. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat unter Zugrundelegung des Sachverständigengutachtens festgestellt, das Fahrzeug sei insoweit mangelhaft, als die Sensoren der Einparkhilfe in falscher Höhe und mit falschem Abstand zueinander eingebaut seien, was dazu führe, dass die Einparkhilfe immer wieder Warnsignale ohne erkennbares Hindernis abgebe. Der Mangelbeseitigungsaufwand betrage gemäß dem Gutachten des Sachverständigen 1.958,85 Euro. Der Rücktritt sei jedoch gemäß §§ 440, 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen, da die Mangelbeseitigungskosten zehn Prozent des Kaufpreises nicht überstiegen und die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung deshalb unerheblich, der Mangel also geringfügig sei. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

Für "geringfügigen Mangel" darf Mängelbeseitigungsaufwand Schwelle von fünf Prozent des Kaufpreises nicht übersteigen

Der Bundesgerichtshof entschied, dass bei einem behebbaren Sachmangel die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB im Rahmen der auf der Grundlage der Einzelfallumstände vorzunehmenden Interessenabwägung in der Regel bereits dann erreicht ist, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises überschreitet. Von einem geringfügigen Mangel, der zwar den Rücktritt, nicht aber die übrigen Gewährleistungsrechte ausschließt, kann hingegen in der Regel noch gesprochen werden, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand die vorgenannte flexible Schwelle von fünf Prozent des Kaufpreises nicht übersteigt. Eine generelle Erhöhung der Erheblichkeitsschwelle über diesen Prozentsatz hinaus ist mit dem durch den Gesetzeswortlaut und durch die Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, dem Sinn und Zweck des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB sowie der Systematik der Rechte des Käufers bei Sachmängeln nicht zu vereinbaren. Die Erheblichkeitsschwelle von (nur) fünf Prozent des Kaufpreises steht im Einklang mit den Vorgaben der EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie.**

Rücktritt vom Kaufvertrag im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen

Da im vorliegenden Fall bereits für die Beseitigung der vom Berufungsgericht festgestellten Fehlfunktion der Einparkhilfe ein die oben genannte Erheblichkeitsschwelle übersteigender Aufwand in Höhe von 6,5 Prozent des Kaufpreises erforderlich ist und das Berufungsgericht keine besonderen Umstände festgestellt hat, die es rechtfertigten, den Mangel gleichwohl ausnahmsweise als unerheblich anzusehen, ist der vom Kläger erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag nicht gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und der Rechtsstreit zur Feststellung der Höhe der vom Käufer aufgrund des Rücktritts geschuldeten Nutzungsentschädigung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Erläuterungen

* - § 323 Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung

(5) [...] Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

** - Art. 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. EG Nr. L 171 S. 12 - Verbrauchsgüterkaufrichtlinie)

(1) Der Verkäufer haftet dem Verbraucher für jede Vertragswidrigkeit, die zum Zeitpunkt der Lieferung des Verbrauchsgutes besteht.

(2) Bei Vertragswidrigkeit hat der Verbraucher entweder Anspruch auf die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung nach Maßgabe des Absatzes 3 oder auf angemessene Minderung des Kaufpreises oder auf Vertragsauflösung in Bezug auf das betreffende Verbrauchsgut nach Maßgabe der Absätze 5 und 6.

[...]

(5) Der Verbraucher kann eine angemessene Minderung des Kaufpreises oder eine Vertragsauflösung verlangen,

[...]

- wenn der Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist Abhilfe geschaffen hat oder

[...]

(6) Bei einer geringfügigen Vertragswidrigkeit hat der Verbraucher keinen Anspruch auf Vertragsauflösung.

 

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 28.05.2014
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

Vorinstanzen:
  • Landgericht Stuttgart, Urteil vom 16.08.2012
    [Aktenzeichen: 10 O 223/10]
  • Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 02.03.2013
    [Aktenzeichen: 4 U 149/12]
Aktuelle Urteile aus den Rechtsgebieten:
Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DAR 2014, 523Zeitschrift: Deutsches Autorecht (DAR), Jahrgang: 2014, Seite: 523
  • jM 2015, 15 (Michael Jaensch)juris - Die Monatszeitschrift (jM), Jahrgang: 2015, Seite: 15, Entscheidungsbesprechung von Michael Jaensch
  • MDR 2014, 883Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2014, Seite: 883
  • NJW 2014, 3229Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 3229
  • NJW-Spezial 2014, 489 (Rainer Heß und Michael Burmann)Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2014, Seite: 489, Entscheidungsbesprechung von Rainer Heß und Michael Burmann
  • NZV 2015, 76Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), Jahrgang: 2015, Seite: 76

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