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Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.02.2007
VIII ZR 266/06 -

Pferdekauf - BGH zur Mangelhaftigkeit eines Reitpferds wegen Abweichung von der "physiologischen Norm"

Bei Lebewesen kommen Abweichungen vom Idealzustand in gewissem Umfang vor

Bei Lebewesen kommen Abweichungen vom physiologischen Idealzustand in gewissen Umfang vor. Der Käufer eines Reitpferdes kann deshalb nicht erwarten, dass er auch ohne besondere Vereinbarung ein Tier mit "idealen" Anlagen erhält. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden und die Klage eines Pferdekäufers, der beim gekauften Pferd "Röntgenveränderungen der Klasse II-III" festgestellt hatte, abgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hatte darüber zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen bei einem verkauften Reitpferd Abweichungen von der "physiologischen Norm" als Sachmangel zu qualifizieren sind.

Die Vorinstanzen hatten einen Sachmangel des verkauften jungen Reitpferdes bejaht und den darauf gestützten Rücktritt der Käuferin gebilligt, weil das Tier bei Gefahrübergang im Bereich der Dornfortsätze der hinteren Sattellage so genannte "Röntgenveränderungen der Klasse II-III" (enger Zwischenraum zwischen zwei Dornfortsätzen mit Randsklerosierung) aufwies, die von der physiologischen (Ideal-)Norm abweichen. Das Berufungsgericht hatte einen Mangel bereits darin gesehen, dass aufgrund dieser Veränderungen ein höheres Risiko für das spätere Auftreten "klinischer Symptome" bestehe als bei einem Pferd mit idealen Anlagen und dass "der Markt" hierauf mit einem deutlichen Preisabschlag reagiere. Feststellungen zu den nach der Behauptung der Käuferin bereits aufgetretenen "klinischen Erscheinungen" des Tieres, die dessen Eignung als Reitpferd beeinträchtigen könnten, hat es deshalb nicht getroffen.

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes zur Verwendung als Reittier nicht schon dadurch in Frage gestellt wird, dass aufgrund bestehender Röntgenveränderungen eine geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln wird, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen.

Auch für die Beurteilung der Frage, ob das verkaufte Pferd wegen Abweichung von der üblichen Beschaffenheit vergleichbarer Pferde mangelhaft war, waren die tatrichterlichen Feststellungen der Vorinstanzen unzureichend. Abweichungen vom physiologischen Idealzustand kommen in gewissen Umfang bei Lebewesen häufig vor. Der Käufer eines Reitpferdes kann deshalb nicht erwarten, dass er auch ohne besondere Vereinbarung ein Tier mit "idealen" Anlagen erhält. Ob die bei der verkauften Stute festgestellte Abweichung als Mangel zu qualifizieren ist, hängt davon ab, wie häufig derartige Röntgenbefunde der Klasse II-III bei Pferden dieser Kategorie vorkommen. Dazu hatte das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.

Ein Mangel des verkauften Pferdes lässt sich schließlich auch nicht mit dem vom Berufungsgericht festgestellten Umstand begründen, dass "der Markt" auf Veränderungen der Röntgenklasse II-III mit Preisabschlägen von 20 bis 25 % reagiert. Abweichungen eines verkauften Pferdes von der "physiologischen Norm", die sich im Rahmen der üblichen Beschaffenheit vergleichbarer Pferde halten, sind nicht deswegen als Mangel einzustufen, weil "der Markt" auf derartige Abweichungen mit Preisabschlägen reagiert. Preisabschläge beim Weiterverkauf, die darauf zurückzuführen sind, dass "der Markt" bei der Preisfindung von einer besseren als der tatsächlich üblichen Beschaffenheit von Sachen gleicher Art ausgeht, begründen keinen Mangel.

Vorinstanzen

LG Karlsruhe -Urteil vom 1. Februar 2005 – 8 O 103/03

OLG Karlsruhe - Urteil vom 23. Mai 2006 – 11 U 9/05

Siehe auch:

Sechs Monate altes Fohlen ist keine „gebrauchte Sache“ (Bundesgerichtshof, Urteil v. 15.11.2006 - VIII ZR 3/06 -)

Über die Möglichkeit der Kaufpreisminderung bei einem Pferdekauf (Landgericht Coburg, Beschluss v. 20.03.2006 - 33 S 148/05 -)

Versteckter Mangel beim Pferdekauf (Landgericht München I, Urteil v. 08.09.2004 - 26 O 12401/02 -)

der Leitsatz

BGB § 434 Abs. 1 Nr. 1 und 2

Die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Reitpferd wird nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass aufgrund von Abweichungen von der "physiologischen Norm" eine geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln wird, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen.

Abweichungen eines verkauften Pferdes von der "physiologischen Norm", die sich im Rahmen der üblichen Beschaffenheit vergleichbarer Pferde halten, sind nicht deswegen als Mangel einzustufen, weil "der Markt" auf derartige Abweichungen mit Preisabschlägen reagiert. Preisabschläge beim Weiterverkauf, die darauf zurückzuführen sind, dass "der Markt" bei der Preisfindung von einer besseren als der tatsächlich üblichen Beschaffenheit von Sachen gleicher Art ausgeht, begründen keinen Mangel.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 16.02.2007
Quelle: ra-online, BGH

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