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Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.03.2021
VI ZR 505/19 -

Abgasskandal: Erfolgreiche Revision gegen Verurteilung der Audi AG in "Dieselverfahren"

Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch Audi nicht festgestellt

Der BGH hat ein Urteil im sogenannten Dieselskandal aufgehoben und an das OLG Naumburg zurückverwiesen, weil das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, dass nicht nur bei der Muttergesellschaft, sondern auch bei der Audi AG eine auf arglistige Täuschung des Kraftfahrt­bundesamtes und letztlich der Fahrzeugerwerber gerichtete Strategie­entscheidung getroffen wurde oder für die Audi AG handelnde Personen an der von der Muttergesellschaft getroffenen Entscheidung zumindest beteiligt waren.

Im hier vorliegenden Fall erwarb der Kläger im Mai 2015 von einem Autohaus einen gebrauchten Audi A6 Avant, der mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet ist. Die Beklagte ist Herstellerin des Wagens. Der von der Volkswagen AG entwickelte und gelieferte Motor war mit einer Software versehen, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und die in diesem Fall in einen Stickoxid-optimierten Modus schaltet. Es ergeben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand.

Kläger Fahrzeug vom Rückruf betroffen

Im September 2015 wurde die Verwendung der Software mit den zwei Betriebsmodi zur Fahrzeugsteuerung bekannt. Im Oktober 2015 ordnete das Kraftfahrtbundesamt (KBA) gegenüber der Volkswagen AG nachträgliche Nebenbestimmungen für die erteilte Typgenehmigung an. Die Volkswagen AG wurde darin verpflichtet, bei allen betroffenen Fahrzeugen, bei denen innerhalb des VW-Konzerns Dieselmotoren vom Typ EA189 EU 5 zum Einbau gelangten, die aus Sicht des Kraftfahrtbundesamtes unzulässige Abschalteinrichtung zu beseitigen und die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte anderweitig zu gewährleisten. In der Folge wurde auf das Fahrzeug des Klägers im Juli 2016 ein Software-Update aufgespielt.

Klage in Vorinstanzen überwiegend erfolgreich

Mit seiner Klage verlangt der Kläger im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der verlangten Zinsen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat unter Zulassung der Revision die Verurteilung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz dem Grunde nach bestätigt, bei der Bemessung der Höhe des zu zahlenden Betrages allerdings einen Abzug von der Kaufpreissumme wegen der erfolgten Nutzung des Fahrzeugs durch den Kläger vorgenommen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt.

BGH hebt Urteil wegen fehlender Feststellung der arglistigen Täuschung auf

Der BGH hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht hat insbesondere nicht festgestellt, dass nicht nur bei der Muttergesellschaft, sondern auch bei der Beklagten eine auf arglistige Täuschung des KBA und letztlich der Fahrzeugerwerber gerichtete Strategieentscheidung getroffen wurde oder für die Beklagte handelnde Personen an der von der Muttergesellschaft getroffenen Entscheidung zumindest beteiligt waren.

Wissen um Software zum Zweck der arglistigen Täuschung auch ausreichend

Allerdings kommt ein sittenwidriges Vorgehen der Beklagten auch dann in Betracht, wenn die für die Beklagte handelnden Personen wussten, dass die von der Muttergesellschaft gelieferten Motoren mit einer auf arglistige Täuschung des KBA abzielenden Prüfstandserkennungssoftware ausgestattet waren, und die von der Beklagten hergestellten Fahrzeuge in Kenntnis dieses Umstandes mit diesem Motor versahen und in den Verkehr brachten. Ein derartiges Vorstellungsbild hat das Berufungsgericht aber im Hinblick auf Personen, für deren Verhalten die Beklagte entsprechend § 31 BGB einzustehen hat, nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.

Haftung Audis kann nicht mittels einer Zurechnung des Wissens entsprechend § 166 BGB begründet werden

Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, die Haftung der Beklagten wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB könne mittels einer Zurechnung des Wissens von verfassungsgemäßen Vertretern der Volkswagen AG entsprechend § 166 BGB begründet werden. Nach der Rechtsprechung des Senats (Senatsurteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15) setzt die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB voraus, dass einer ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB persönlich verwirklicht hat. Über eine Wissenszusammenrechnung führt kein Weg zu dem für das Merkmal der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB erforderlichen moralischen Unwerturteil. So wie sich die die Verwerflichkeit begründende bewusste Täuschung nicht dadurch konstruieren lässt, dass die im Hause der juristischen Person vorhandenen kognitiven Elemente "mosaikartig" zusammengesetzt werden, weil eine solche Konstruktion dem personalen Charakter der Schadensersatzpflicht gemäß § 826 BGB nicht gerecht würde, so lässt sie sich erst recht nicht mit einer Wissenszurechnung über die Grenzen rechtlich selbständiger (Konzern-)Gesellschaften hinaus begründen.

Tatsächliche Feststellungen zu Vorgängen bei Audi nicht ausreichend

Zudem hat das Berufungsgericht nicht die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen für die Annahme einer sekundären Darlegungslast der Beklagten zu Vorgängen innerhalb ihres Unternehmens, die auf eine Kenntnis ihrer verfassungsmäßigen Vertreter von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung schließen lassen sollen, getroffen.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 10.03.2021
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

Vorinstanzen:
  • Landgericht Halle, Urteil vom 07.05.2019
    [Aktenzeichen: 9 O 13/18]
  • , Urteil vom 30.10.2019
    [Aktenzeichen: 3 U 42/19]
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