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Der BGH hat sich erstmals zur Thematik des sogenannten "Thermofensters" geäußert und klargestellt, dass die Entwicklung und der Einsatz der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) für sich genommen nicht ausreichen, um einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu begründen.
Der Kläger erwarb 2012 von dem beklagten Fahrzeughersteller ein Neufahrzeug vom Typ Mercedes-Benz C 220 CDI, der mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 ausgestattet war. Die Abgasreinigung erfolgt in dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug über die Abgasrückführung. Dabei wird ein Teil der Abgase wieder der Verbrennung im Motor zugeführt, was zu einer Verringerung der Stickoxidemissionen führt. Die Abgasrückführung wird bei kühleren Temperaturen reduziert ("Thermofenster"), wobei zwischen den Parteien streitig ist, bei welchen Außentemperaturen dies der Fall ist. Der Kläger behauptet, die Motorsteuerung reduziere bei einstelligen positiven Außentemperaturen die Abgasrückführung und schalte sie schließlich ganz ab. Dies führe zu einem erheblichen Anstieg der Stickoxidemissionen. Er sieht in der Steuerung der Abgasrückführung eine unzulässige Abschalteinrichtung und behauptet, die Beklagte habe diese Funktion dem KBA gezielt vorenthalten und verschleiert. Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten im Wesentlichen die Erstattung des gezahlten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts steht dem Kläger kein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen die Beklagte zu. Das Inverkehrbringen des vom Kläger erworbenen Fahrzeugs sei unabhängig von der objektiven Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des in der Motorsteuerung installierten "Thermofensters" weder als sittenwidrige Handlung einzustufen noch ergebe sich daraus der erforderliche Schädigungsvorsatz der Beklagten. Es könne ohne konkrete Anhaltspunkte nicht unterstellt werden, dass die Verantwortlichen bei der Beklagten in dem Bewusstsein agiert hätten, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Die Gesetzeslage sei hinsichtlich der Zulässigkeit von "Thermofenstern" nicht eindeutig.
Der Bundesgerichtshof hat die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gemäß § 544 Abs. 9 ZPO wegen Verletzung rechtlichen Gehörs aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Entwicklung und der Einsatz der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) für sich genommen nicht ausreichen, um einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) zu begründen. Das Verhalten der für den beklagten Kraftfahrzeughersteller handelnden Personen ist nicht bereits deshalb als sittenwidrig zu qualifizieren, weil sie den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung mit einem solchen
Der Einsatz eines sogenannten Thermofensters ist nicht mit der Fallkonstellation zu vergleichen, die dem Senatsurteil zum VW-Motor EA189) zugrunde liegt. Dort hatte der Automobilhersteller die grundlegende strategische Frage, mit welchen Maßnahmen er auf die Einführung der - im Verhältnis zu dem zuvor geltenden Recht strengeren - Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm reagieren würde, im eigenen Kosten- und Gewinninteresse dahingehend entschieden, von der Einhaltung dieser Grenzwerte im realen Fahrbetrieb vollständig abzusehen und dem KBA stattdessen zwecks Erlangung der Typgenehmigung mittels einer eigens zu diesem Zweck entwickelten Motorsteuerungssoftware wahrheitswidrig vorzuspiegeln, dass die von ihm hergestellten Dieselfahrzeuge die neu festgelegten Grenzwerte einhalten.
Bei dem Einsatz eines Thermofensters wie im vorliegenden Fall fehlt es dagegen an einem derartigen arglistigen Vorgehen des beklagten Automobilherstellers, das die Qualifikation seines Verhaltens als objektiv sittenwidrig rechtfertigen würde. Nach den getroffenen Feststellungen unterscheidet die im streitgegenständlichen Fahrzeug eingesetzte temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung nicht danach, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet. Sie weist keine Funktion auf, die bei erkanntem Prüfstandsbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und den Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert, sondern arbeitet in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise.
Bei dieser Sachlage wäre der Vorwurf der
Unter den Umständen des Einzelfalles rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht aber angenommen, der Kläger habe für ein derartiges Vorstellungsbild sprechende Anhaltspunkte nicht aufgezeigt. Unter Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör hat es dessen Vorbringen nicht berücksichtigt, wonach die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren unzutreffende Angaben über die Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems gemacht habe. Mit diesem Vorbringen wird sich das Berufungsgericht zu befassen haben. Dabei wird es zunächst der Beklagten Gelegenheit zur Erwiderung auf dieses Vorbringen geben müssen.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 28.01.2021
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)
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Dokument-Nr. 29773
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