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Der Bundesgerichtshofs hatte sich mit der Frage befasst, ob die Regelung in § 16 a Abs. 1 des Nachbargesetzes des Landes Berlin (NachbarG BIn), die eine grenzüberschreitende nachträgliche Wärmedämmung von Bestandsbauten erlaubt, mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in Berlin. Das auf dem Grundstück der Beklagten stehende Gebäude ist ca. 7, 5 m niedriger als das Gebäude der Klägerin. Diese will Im Rahmen einer Fassadensanierung den seit 1906 nicht mehr sanierten grenzständigen Giebel ihres Gebäudes mit einer 16 cm starken mineralischen Dämmung versehen und in diesem Umfang über die Grenze zum Grundstück der Beklagten hinüberbauen. Das Amtsgericht hat die Beklagte verurteilt, die
Die Revision hatte keinen Erfolg. Der Anspruch des Grundstückseigentümers aus § 16 a NachbarG BIn auf Duldung einer grenzüberschreitenden Wärmedämmung hat einzig zur Voraussetzung, dass die
Der Senat hat allerdings Zweifel an der materiellen Verfassungsmäßigkeit von § 16 a NachbarG, namentlich an der Vereinbarkeit der Norm mit Art. 14 Abs. 1 GG. In den Regelungen anderer Bundesländer wird der Duldungsanspruch durchweg von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht, etwa davon, dass der Überbau die Benutzung oder beabsichtigte Benutzung des Grundstücks des Nachbarn nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt oder dass eine vergleichbare Wärmedämmung auf andere Weise (etwa durch eine Innendämmung) mit vertretbarem Aufwand nicht vorgenommen werden kann. Der Berliner Gesetzgeber hat auf solche Regelungen bewusst verzichtet, um die Handhabung der Vorschrift möglichst einfach zu gestalten und nicht durch den möglichen Streit über weitere Voraussetzungen, insbesondere über unbestimmte Rechtsbegriffe, zu belasten. Im Hinblick auf diesen ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers und den eindeutigen Wortlaut von § 16 a NachbarG BIn können Voraussetzungen und Einschränkungen des Duldungsanspruchs, wie sie die Nachbarrechtsgesetze anderer Bundesländer enthalten (vgl. etwa 5 23a Abs. 1 NachbarG NW), der Norm auch nicht unter Rückgriff auf allgemeine Rechtsgrundsätze oder im Wege der verfassungskonformen Auslegung entnommen werden.
Eine Vorlage von § 16 a NachbarG Bln kam gleichwohl nicht in Betracht. Denn die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur zulässig, wenn das Fachgericht an der Verfassungsmäßigkeit eines entscheidungserheblichen Gesetzes nicht nur zweifelt, sondern - vorbehaltlich einer verfassungskonformen Auslegung - von der Verfassungswidrigkeit überzeugt ist. Dies ist nicht der Fall. § 16 a NachbarG BIn zielt auf Energieeinsparungen bei bestehenden Wohngebäuden ab und der Senat hat keine Zweifel, dass die Regelung zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich ist. Fraglich erscheint allerdings, ob die Norm im engeren Sinne verhältnismäßig ist, namentlich ob sie die Interessen des duldungspflichtigen Nachbarn noch in einer Weise berücksichtigt, dass der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum eingehalten ist. Da § 16 a NachbarG BIn keine Einschränkungen des Duldungsanspruchs im Hinblick auf den Umfang der Beeinträchtigung des Nachbarn und die Zumutbarkeit der
In der Gesamtschau erscheint es dem Senat durchaus möglich, dass § 16 a NachbarG BIn noch als verhältnismäßig anzusehen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Regelung aus Sicht des Gesetzgebers nicht allein das Verhältnis zweier Grundstückseigentümer untereinander ,betrifft deren Individualinteressen zum Ausgleich zu bringen sind, sondern vor allem dem Klimaschutz und damit einemanerkannten Gemeinwohlbelang dient, dem über das aus Art. 20a GG abgeleitete Klimaschutzgebot Verfassungsrang zukommt (vgl. hierzu BVerfGE 157, 30). Das Wirtschaftliche Interesse des Grundstückseigentümers an der Einsparung von Energie durch eine grenzüberschreitende Dämmung seines Bestandsgebäudes wird nicht als solches, sondern deswegen höher gewichtet als das entgegenstehende Interesse des Nachbarn an der vollständigen Nutzung seines Grundstücks‚ weil es sich mit dem - Interesse der Allgemeinheit an der möglichst raschen Dämmung von Bestandsgebäuden deckt. Zwar erscheint dem Senat bedenklich, dass individuelle Interessen des Nachbarn selbst dann keine Berücksichtigung finden, wenn im Einzelfall die Annahme einer Unzumutbarkeit der Duldungsverpflichtung naheläge. Es ist aber nicht zu verkennen, dass der Streit zwischen den Nachbarn über die Frage, ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, bei jeder einzelnen Maßnahme zu einer unter Umständen Jahre währenden Verzögerung oder sogar dazu führen kann, dass der Grundstückseigentümer von der Dämmung seines Gebäudes ganz absieht. Der Senat hält es daher für nicht ausgeschlossen, dass der generalisierende Ansatz des Berliner Landesgesetzgebers, den Duldungsanspruch klar und einfach zu regeln, um auf das Ganze gesehen die Durchführung möglichst vieler und rascher Dämmmaßnahmen zu erreichen, noch zulässig ist, auch wenn damit für den jeweiligen Nachbarn im Einzelfall gewisse - unter Umständen auch erhebliche - Härten verbunden sein mögen.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 06.07.2022
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)
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