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Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.07.2015
I ZR 46/12 -

"Framing": Einbetten von Internet-Videos auf eigener Webseite stellt keine Ur­heber­rechts­verletzung dar

Bundesgerichtshof zur urheberrechtlichen Zulässigkeit des "Framing"

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Betreiber einer Internetseite keine Ur­heber­rechts­verletzung begeht, wenn er urheberrechtlich geschützte Inhalte, die auf einer anderen Internetseite mit Zustimmung des Rechtsinhabers für alle Internetnutzer zugänglich sind, im Wege des "Framing" in seine eigene Internetseite einbindet.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens, die Wasserfiltersysteme herstellt und vertreibt, ließ zu Werbezwecken einen etwa zwei Minuten langen Film mit dem Titel "Die Realität" herstellen, der sich mit der Wasserverschmutzung befasst. Sie ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an diesem Film. Der Film war - nach dem Vorbringen der Klägerin ohne ihre Zustimmung - auf der Videoplattform "YouTube" abrufbar.

Sachverhalt

Die beiden Beklagten sind als selbständige Handelsvertreter für ein mit der Klägerin im Wettbewerb stehendes Unternehmen tätig. Sie unterhalten jeweils eigene Internetseiten, auf denen sie für die von ihnen vertriebenen Produkte werben. Im Sommer 2010 ermöglichten sie den Besuchern ihrer Internetseiten, das von der Klägerin in Auftrag gegebene Video im Wege des "Framing" abzurufen. Bei einem Klick auf einen Link wurde der Film vom Server der Videoplattform "YouTube" abgerufen und in einem auf den Webseiten der Beklagten erscheinenden Rahmen ("Frame") abgespielt.

Klägerin verlangt Schadensersatz

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagten hätten das Video damit unberechtigt öffentlich zugänglich gemacht. Sie hat die Beklagten daher auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von je 1.000 Euro an die Klägerin verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.

Bloße Verknüpfung eines auf einer fremden Internetseite bereitgehaltenen Werkes stellt kein öffentliches Zugänglichmachen dar

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die bloße Verknüpfung eines auf einer fremden Internetseite bereitgehaltenen Werkes mit der eigenen Internetseite im Wege des "Framing" kein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des § 19 a UrhG** darstellt, weil allein der Inhaber der fremden Internetseite darüber entscheidet, ob das auf seiner Internetseite bereitgehaltene Werk der Öffentlichkeit zugänglich bleibt, urteilte der Bundesgerichtshof. Eine solche Verknüpfung verletzt auch bei einer im Blick auf Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft*** gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 15 Abs. 2 UrhG* grundsätzlich kein unbenanntes Verwertungsrecht der öffentlichen Wiedergabe. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf das im vorliegenden Rechtsstreit eingereichte Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs ausgeführt, dass keine öffentliche Wiedergabe vorliege, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt würden, die auf einer anderen Internetseite mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber für alle Internetnutzer frei zugänglich seien. Das gelte auch dann, wenn das Werk bei Anklicken des bereitgestellten Links in einer Art und Weise erscheine, die den Eindruck vermittele, dass es auf der Seite erscheine, auf der sich dieser Link befinde, obwohl es in Wirklichkeit einer anderen Seite entstamme.

BGH bejaht mögliche Urheberrechtsverletzung, sofern Video bei YouTube ohne Zustimmung des Rechteinhabers eingestellt wurde

Den Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs allerdings zu entnehmen, dass in solchen Fällen eine öffentliche Wiedergabe erfolgt, wenn keine Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers vorliegt. Danach hätten die Beklagten das Urheberrecht am Film verletzt, wenn dieser ohne Zustimmung des Rechtsinhabers bei "YouTube" eingestellt war. Dazu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Der Bundesgerichtshof hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann.

Berufungsgericht muss Frage der Zustimmung zur Veröffentlichung des Videos bei YouTube prüfen

Der Bundesgerichtshof hat erwogen, das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs in dem vom Hoge Raad der Niederlande am 7. April 2015 eingereichten Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C-160/15 - GS Media BV/Sanoma Media Netherlands BV u.a. auszusetzen. Der Hoge Raad hat dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob von einer öffentlichen Wiedergabe auszugehen ist, wenn das Werk auf der anderen Internetseite ohne Zustimmung des Rechtsinhabers zugänglich gemacht worden ist. Der Bundesgerichtshof hat gleichwohl von einer Aussetzung des Verfahrens abgesehen. Mit einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem ihm vom Hoge Raad vorgelegten Verfahren ist frühestens in einem Jahr zu rechnen. Auf die dem Gerichtshofs der Europäischen Union in jenem Verfahren gestellte Frage kommt es im vorliegenden Verfahren nur an, wenn der Film ohne Zustimmung des Rechtsinhabers bei "YouTube" eingestellt war. Es ist daher nicht angebracht, das Verfahren ohne Klärung der Frage auszusetzen, ob der Film ohne Zustimmung des Rechtsinhabers bei "YouTube" eingestellt war.

Erläuterungen

* - § 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2 UrhG

Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Das Recht der öffentlichen Wiedergabe umfasst insbesondere [...] das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a).

** - § 19 a UrhG

Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

*** - Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG

Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.

 

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 13.07.2015
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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