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Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.07.2007
I ZR 18/04 -

BGH: eBay muss Angebote über jugendgefährdende Medien sperren

Verpflichtung zur Sperrung bei Kenntniserlangung - generelle Überprüfung nicht zumutbar

eBay kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn Dritte jugendgefährdende Medien auf der eBay-Plattform zum Verkauf anbieten. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden. eBay kann sich nicht auf das im Telemediengesetz (TMG) geregelte Haftungsprivilegierung für Host-Provider berufen. Dieses Haftungsprivileg gilt nur für die strafrechtliche Verantwortlichkeit und die Schadensersatzhaftung, nicht dagegen für einen Unterlassungsanspruch.

Der Bundesgerichtshof hatte darüber zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein Internet-Auktionshaus auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann, wenn auf seiner Plattform jugendgefährdende Medien angeboten werden.

Die Beklagte veranstaltet unter "ebay.de" Fremdversteigerungen im Internet. Dabei werden die Angebote von den Anbietern regelmäßig ins Internet gestellt, ohne dass die Beklagte zuvor Kenntnis von diesen Angeboten hat. Der Kläger, ein Interessenverband des Video- und Medienfachhandels, wendet sich dagegen, dass bei eBay im Zeitraum von Juli 2001 bis Mai 2002 in verschiedenen Fällen indizierte jugendgefährdende Medien angeboten worden sind. Er sieht darin ein wettbewerbswidriges Handeln der Beklagten.

Das Landgericht und das Berufungsgericht haben die auf Unterlassung gerichtete Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Revision hatte Erfolg.

Nach der zu Markenverletzungen entwickelten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil v. 19.04.2007 - I ZR 35/04 -) betrifft das im Telemediengesetz (TMG) geregelte Haftungsprivileg für Host-Provider nur die strafrechtliche Verantwortlichkeit und die Schadensersatzhaftung, nicht dagegen den Unterlassungsanspruch. Das gilt auch im Wettbewerbsrecht.

Der Bundesgerichtshof hat das angefochtene Urteil, das noch von einer generellen Haftungsprivilegierung von eBay ausgegangen war, aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Im Streitfall kommt – so der Bundesgerichtshof – eine Haftung der Beklagten wegen Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht in Betracht, auch wenn sie selbst nicht Anbieterin jugendgefährdender Medien ist.

Der Bundesgerichtshof hat darauf abgestellt, dass die Beklagte die ernsthafte und naheliegende Gefahr geschaffen hat, dass ihre Internetplattform von Verkäufern zum Vertrieb indizierter jugendgefährdender Schriften genutzt wird. Verstöße gegen das Verbot des Versandhandels mit jugendgefährdenden Medien beeinträchtigten Interessen der besonders schutzwürdigen jugendlichen Verbraucher, die auch das Wettbewerbsrecht schütze. Die Beklagte müsse daher – wenn sie Kenntnis von einem konkreten jugendgefährdenden Angebot erlangt habe – nicht nur dieses konkrete Angebot unverzüglich sperren, sondern auch Vorsorge dafür treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen komme. Sie müsse deshalb verhindern, dass die ihr konkret benannten jugendgefährdenden Medien von anderen Verkäufern erneut auf ihrer Plattform angeboten würden. Als gleichartig (und damit von der Prüfungspflicht der Beklagten erfasst) kämen darüber hinaus auch solche Angebote in Betracht, bei denen derselbe Versteigerer nach Kategorie und Medium entsprechende indizierte Werke anbiete. In Übereinstimmung mit seiner markenrechtlichen Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof jedoch betont, dass die Beklagte keine unzumutbaren Prüfungspflichten treffen, die das gesamte Geschäftsmodell in Frage stellen würden. Eine Verpflichtung zur Sperrung von Auktionsangeboten besteht zudem nur insoweit, als nicht durch ein wirksames Altersverifikationssystem sichergestellt ist, dass kein Versand an Kinder und Jugendliche erfolgt.

Da es noch an für eine abschließende Beurteilung erforderlichen Feststellungen fehlt, hat der Bundesgerichtshof die Sache an das Oberlandesgericht Brandenburg zurückverwiesen. In der erneuten Verhandlung wird insbesondere zu klären sein, was im vorliegenden Fall gleichartige Angebote sind, auf die sich die Prüfungspflicht der Beklagten beschränkt, und welche Filterprogramme oder sonstigen technischen Möglichkeiten der Beklagten zur Verfügung stehen, um jugendgefährdende Medienangebote zu identifizieren.

der Leitsatz

UWG § 3; JuSchG § 15 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 24 Abs. 3, § 27 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2

Verstöße gegen das Verbot des Versandhandels mit jugendgefährdenden Medien beeinträchtigen wettbewerblich geschützte Interessen der Verbraucher im Sinne des § 3 UWG.

UWG §§ 3, 8 Abs. 1

Wer durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die ernsthafte Gefahr begründet, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, ist aufgrund einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht dazu verpflichtet, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen. Wer in dieser Weise gegen eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht verstößt, ist Täter einer unlauteren Wettbewerbshandlung.

UWG § 3; TMG § 7 Abs. 2; EWG-RL 2000/31 Art. 14 Abs. 3, Art. 15 Abs. 1

a) Die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht des Betreibers einer Internet-Auktionsplattform hinsichtlich fremder jugendgefährdender Inhalte konkretisiert sich als Prüfungspflicht, zu deren Begründung es eines konkreten Hinweises auf ein bestimmtes jugendgefährdendes Angebot eines bestimmten Anbieters bedarf. Der Betreiber der Plattform ist nicht nur verpflichtet, dieses konkrete Angebot unverzüglich zu sperren, sondern muss auch zumutbare Vorsorgemaßnahmen treffen, damit es möglichst nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt.

b) Aus der wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht des Betreibers einer Internet-Auktionsplattform können sich neben der Verpflichtung, Angebote des konkreten Titels in Zukunft zu verhindern, besondere Prüfungspflichten hinsichtlich anderer Angebote des Versteigerers ergeben, der das ursprüngliche jugendgefährdende Angebot eingestellt hat.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 12.07.2007
Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof

Vorinstanzen:
  • Landgericht Potsdam, Urteil vom 10.10.2002
    [Aktenzeichen: 51 O 12/02]
  • Oberlandesgericht Brandenburg, Urteil vom 16.12.2003
    [Aktenzeichen: 6 U 161/02]
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Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BGHZ 173, 188Sammlung: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ), Band: 173, Seite: 188
  • CR 2007, 729Zeitschrift: Computer und Recht (CR), Jahrgang: 2007, Seite: 729
  • GRUR 2007, 890Zeitschrift: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR), Jahrgang: 2007, Seite: 890
  • JuS 2008, 187Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 2008, Seite: 187
  • K&R 2007, 517Zeitschrift: Kommunikation & Recht (K&R), Jahrgang: 2007, Seite: 517
  • MDR 2008, 97Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2008, Seite: 97
  • MMR 2007, 634Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2007, Seite: 634
  • NJW 2008, 758Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2008, Seite: 758
  • WM 2007, 1812Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM), Jahrgang: 2007, Seite: 1812
  • WRP 2007, 1173Zeitschrift: Wettbewerb in Recht und Praxis (WRP), Jahrgang: 2007, Seite: 1173

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