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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.09.2016
3 StR 84/16 -

BGH: Während Videovernehmung eines Zeugen muss sich der vorsitzende Richter im Gerichtssaal befinden

Vernehmung des Zeugen im Video­vernehmungs­raum unzulässig

Während einer Videovernehmung eines Zeugen gemäß § 247 a Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO) muss der vorsitzende Richter im Gerichtssaal bleiben. Er darf den Zeugen nicht im Video­vernehmungs­raum befragen. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall wurde ein Mann wegen Mordes an seiner Ehefrau und ihrer Freundin vor dem Landgericht Lüneburg angeklagt. Hintergrund der Tat war, dass die Frau die Beziehung zu ihrem Mann beenden und zum Christentum konvertieren wollte. Der Angeklagte, Kurde jesidischen Glaubens, wollte dies nicht hinnehmen. Im Rahmen des Prozesses wurde die Tochter des Angeklagten und der getöteten Frau vom vorsitzenden Richter der Strafkammer des Landgerichts in einem Raum außerhalb des Gerichtssaals vernommen (sog. Mainzer Modell). Dies sollte dem Schutz der Zeugin dienen. Die Vernehmung wurde per Wort und Bild in den Gerichtssaal übertragen, wo ein beisitzender Richter telefonisch mit dem vorsitzenden Richter verbunden war, so dass sämtliche Verfahrensbeteiligten Fragen an die Zeugin stellen konnten. Der Angeklagte wurde schließlich wegen Mordes in zwei Fällen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Dagegen richtete sich die Revision des Angeklagten. Er hielt es für unzulässig, dass der vorsitzende Richter während der Videovernehmung nicht im Gerichtssaal anwesend war.

Unzulässiges Verlassen des vorsitzenden Richters aus Gerichtssaal

Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten des Angeklagten. Zwar könne nach § 247 a Abs. 1 StPO unter bestimmten Voraussetzungen ein Zeuge sich während der Vernehmung an einem anderen Ort als dem Gerichtssaal aufhalten und seine Aussage zeitgleich in Bild und Ton in den Gerichtssaal übertragen werden. Die Vorschrift gestatte aber nur, dass der Zeuge sich nicht im Gerichtssaal aufhält. Sie lasse es dagegen nicht zu, dass ein sonstiger Verfahrensbeteiligter, wie der vorsitzende Richter einer Strafkammer, den Gerichtssaal verlässt, um den Zeugen anderswo zu vernehmen. Es sei zu beachten, dass § 226 StPO die ununterbrochene Gegenwart des vorsitzenden Richters in der Hauptverhandlung vorsieht.

Zuschaltung von Verfahrensbeteiligten per Videokonferenztechnik unzulässig

Würde man die Ansicht des Landgerichts zulassen, so der Bundesgerichtshof, könne sich jeder Verfahrensbeteiligter an einem anderen Ort als dem Gerichtssaal aufhalten, solange er der Hauptverhandlung durch Videokonferenztechnik zugeschaltet ist. Diese Möglichkeit zu eröffnen, sei aber Sache des Gesetzgebers.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 06.04.2018
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

Vorinstanz:
  • Landgericht Lüneburg, Urteil vom 17.09.2015
    [Aktenzeichen: 110 Ks 5/15]
Aktuelle Urteile aus den Rechtsgebieten:
Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2017, 181Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2017, Seite: 181
  • NJW-Spezial 2017, 58Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2017, Seite: 58
  • NStZ 2017, 372Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ), Jahrgang: 2017, Seite: 372

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