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Der Prozess gegen den so genannten „Kannibalen von Rotenburg“, muß neu verhandelt werden. Das Landgericht Kassel hatte die Tat nur als Totschlag und nicht als Mord gewertet. Der Bundesgerichtshof sieht in der Tat allerdings einen Mord zur Befriedigung des Geschlechtstriebs und zur Ermöglichung einer anderen Straftat.
Das Landgericht Kassel hatte den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der jetzt 43-jährige Angeklagte seit Einsetzen der Pubertät die Phantasie, junge Männer zu schlachten und sich einzuverleiben. Bereits geraume Zeit vor der Tat suchte er über das Internet männliche Personen, die sich ihm hierfür zur Verfügung stellten. Nach mehreren Internetkontakten fand er das spätere Opfer, das mit der Verwirklichung dieser Phantasien einverstanden war. Die Tat fand am 09. März 2001 im Haus des Angeklagten statt, der dort einen "Schlachtraum" eingerichtet hatte. Das ganze Geschehen nahm der Angeklagte auf Video auf, welches er hinterher betrachten und in Ausschnitten im Internet verbreiten wollte. Nach den getroffenen Feststellungen des Landgerichts sah er sich das Video nach der Tat einmal an und befriedigte sich dabei selbst, Teile der Leiche verspeiste er.
Gegen das Urteil haben sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat die Revision des Angeklagten als unbegründet verworfen. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat er das Urteil mit den Feststellungen aufgehoben und an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main zurückverwiesen.
Die Verurteilung nur wegen Totschlags und nicht wegen Mordes hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der 2. Strafsenat hatte sich insbesondere mit den Mordmerkmalen "zur Befriedigung des Geschlechtstriebes" und "um eine andere Straftat zu ermöglichen" auseinanderzusetzen. Er hat die Voraussetzungen des Mordmerkmals "zur Befriedigung des Geschlechtstriebes" konkretisiert und beim Mordmerkmal "um eine andere Straftat zu ermöglichen" den Tatbestand des § 168 StGB (Störung der Totenruhe) näher bestimmt.
Das Landgericht hatte das Mordmerkmal "zur Befriedigung des Geschlechtstriebes" u. a. mit der Begründung verneint, daß nicht feststellbar gewesen sei, daß der Angeklagte die Videoaufzeichnung bereits zum Zeitpunkt der Tötung zu dem Zweck erstellt hat, um sich bei der späteren Betrachtung sexuell zu befriedigen. Die dem zugrunde liegende Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Im übrigen erschöpft das tatrichterliche Urteil auch die rechtliche Problematik des Mordmerkmals nicht. Nach Auffassung des 2. Strafsenats kann die Tötung eines Menschen, die mittels Videoaufnahme festgehalten wird, um dem Täter später als Anschauungsobjekt für seine sexuellen Phantasien und zu seiner sexuellen Befriedigung zu dienen, das Mordmerkmal "zur Befriedigung des Geschlechtstriebes" erfüllen. Eines Unmittelbarkeitsverhältnisses in dem Sinne, daß die Tötung und die angestrebte sexuelle Befriedigung in einem engen zeitlich-räumlichen Zusammenhang stehen müßten, bedarf es nicht. Es genügt, wenn der Täter bei der Tötung eine spätere Befriedigung des Geschlechtstriebes mit Hilfe des Videos anstrebt.
Das Landgericht hat nach Auffassung des 2. Strafsenats auch das Mordmerkmal der Tötung eines Menschen in der Absicht, eine andere Straftat zu ermöglichen, zu Unrecht verneint. Als Straftaten, die der Angeklagte durch die Tötung seines Opfers ermöglichen wollte, kommen die Störung der Totenruhe (§ 168 StGB) durch das Zerlegen des getöteten Opfers bei gleichzeitiger Videoaufzeichnung sowie die verharmlosende oder verherrlichende Darstellung von Gewalt (§ 131 StGB) und die Verbreitung von gewaltpornographischen Schriften (§ 184 a StGB n.F. bzw. § 184 StGB a.F.) durch eine beabsichtigte spätere Vorführung des Videos oder Verbreitung von Ausschnitten daraus über das Internet in Betracht. Eine beabsichtigte Störung der Totenruhe hat das Landgericht verneint, weil es meinte, aufgrund der Zustimmung des Opfers zur beabsichtigten Vorgehensweise sei dessen postmortaler Achtungsanspruch nicht verletzt und daher der Umgang mit der Leiche auch nicht "beschimpfend" gewesen. Diese Sicht erfaßt den tatbestandlichen Rechtsgüterschutz nicht vollständig. § 168 StGB schützt auch das Pietätsempfinden der Allgemeinheit. Diesem liegt das Bewußtsein von der jedem Menschen zukommenden und über den Tod hinauswirkenden Würde und von der Würde des Menschen als Gattungswesen zugrunde. Über dieses Rechtsgut konnte das Opfer nicht verfügen, so daß sein Einverständnis dem Handeln auch nicht den beschimpfenden Charakter nehmen konnte. Die beiden anderen in Betracht kommenden Strafvorschriften hat das Landgericht nicht geprüft.
StGB §§ 211 Abs. 2, 168 Abs. 1
1. Das Mordmerkmal "zur Befriedigung des Geschlechtstriebs" liegt auch dann vor, wenn der Täter diese Befriedigung erst bei der späteren Betrachtung der Bild-Ton-Aufzeichnung (Video) vom Tötungsakt und dem Umgang mit der Leiche finden will.
2. Rechtsgut des § 168 Abs. 1 StGB ist nicht nur der postmortale Persönlichkeitsschutz des Toten, sondern auch das Pietätsgefühl der Allgemeinheit. Das Einverständnis des Tatopfers in beschimpfenden Unfug an seiner Leiche ist deshalb nicht geeignet, die Strafbarkeit entfallen zu lassen.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 25.04.2005
Quelle: ra-online, BGH (pm)
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Dokument-Nr. 420
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