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Gerichte dürfen Pressevertretern Zuschauerplätze für die Hauptversammlung freihalten. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Im Jahr 2001 verschwand ein Landwirt aus Neuburg an der Donau spurlos. Seine Leiche wurde nie gefunden. Nach den Feststellungen des Urteils des Landgerichts Ingolstadt vom 13. Mai 2005 wurde er in der Nacht vom 12. auf den 13. Oktober 2001 im gemeinsamen Wohnhaus der Familie getötet. Der damals 18 Jahre alte im Haus lebende Freund seiner Tochter und seine damals 46 Jahre alte Ehefrau schlugen zunächst mit einer Holzlatte dem Landwirt ins Genick und auf den Rücken; der Freund der Tochter schlug später mit einem Zimmermannshammer mehrfach auf den Kopf des Landwirts ein. Dem Tatplan entsprechend verstarb der Landwirt infolge der Gewalthandlungen. Seinen beiden damals 16- und 15-jährigen Töchtern wurde eine Beihilfe durch Unterlassen angelastet. Sie wussten von dem Tatplan, billigten ihn, waren bei den Gewalthandlungen anwesend und schritten nicht ein. Der Freund der Tochter zerteilte am nächsten Tag die Leiche, warf einige Leichenteile den Hunden zum Fraß vor und entsorgte die restlichen Leichenteile an einem unbekannten Ort. Hintergrund der Tat waren zerrüttete Familienverhältnisse, insbesondere auch der jahrelange sexuelle Missbrauch der beiden Töchter durch ihren Vater. Drei der vier Angeklagten hatten die Tat während des Ermittlungsverfahrens ganz oder zum Teil eingestanden, widerriefen allerdings das (Teil)Geständnis später.
Die 1. Jugendkammer des Landgerichts Ingolstadt hat den Freund der Tochter und die Ehefrau wegen gemeinschaftlichen Totschlags zu einer Jugendstrafe bzw. Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten, die beiden Töchter wegen durch Unterlassen begangener Beihilfe zum Totschlag zu Jugendstrafen von drei Jahren und sechs Monaten bzw. zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2006 die Revisionen der Angeklagten verworfen. Das Urteil des Landgerichts Ingolstadt ist damit rechtskräftig. Der 1. Strafsenat hat sich mit der von den Angeklagten erhobenen Rüge einer Verletzung der Öffentlichkeit näher auseinandergesetzt. Er hat entschieden, dass es nicht zu beanstanden ist, wenn einige Zuschauerplätze – nicht alle – Pressevertretern vorbehalten bleiben. Dies folgt aus der besonderen Funktion der Presse, deren Anwesenheit schon im Ansatz die öffentliche Kontrolle von Gerichtsverhandlungen nicht einschränkt, sondern fördert.
StPO § 338 Nr. 6, § 344 Abs. 2 Satz 2; GVG § 169 Abs. 1, § 176
1. Die Entscheidung über die Anzahl der bei einem Augenschein an beengter Örtlichkeit (hier: schmales Treppenhaus) zugelassenen Zuhörer ist vom Revisionsgericht nur auf Ermessensfehler überprüfbar.
2. Ein Teil der bei öffentlichen Verhandlungen der Allgemeinheit zur Verfügung stehenden Plätze kann Pressevertretern vorbehalten bleiben.
3. Zum notwendigen Revisionsvortrag, wenn eine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes bei einem Augenschein an beengter Örtlichkeit im Hinblick auf die Auswahl der konkret zugelassenen Zuhörer gerügt wird.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 07.04.2006
Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof (pm)
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