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Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14.07.2008
VII B 92/08 -

Finanzamt muss Staatsanwaltschaft bei Verdacht auf Schmier­geld­zahlungen informieren

Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung ist nicht unverhältnismäßig

In Zeiten der Ausspionierung durch Videoüberwachung, der Abhöraffären und des Handels mit Bankdaten ist der Anspruch auf Schutz der Persönlichkeits­rechte, insbesondere des Rechts auf "informationelle Selbstbestimmung“, wieder deutlich in das Bewusstsein der Öffentlichkeit getreten. In diesem Zusammenhang spielen Informationsrechte und -pflichten der Finanzverwaltung eine zentrale Rolle, steht doch das Steuergeheimnis als Garant der Verschwiegenheit der kenntnisreichen Finanzbehörden auf dem Spiel.

Wenig bekannt sind allerdings die mannigfachen Durchbrechungen des Steuergeheimnisses, die im Rahmen der Verfolgung von Steuerstraftaten oder anderen gravierenden Delikten unabdingbar oder in sonstigen Fällen vom Gesetzgeber ausdrücklich zugelassen sind.

Finanzbehörden müssen Verdacht von Schmiergeldzahlungen mitteilen

Zu dieser letzten Gruppe gehört die Verpflichtung der Finanzbehörden, den Strafverfolgungsbehörden Tatsachen mitzuteilen, die den Verdacht rechtswidriger Schmiergeldzahlungen begründen. Im Rahmen umfangreicher Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung in den 90er Jahren hatte der Gesetzgeber den bis dahin möglichen Abzug solcher Zahlungen als Betriebsausgaben abgeschafft und die wechselseitige Informationspflicht der Finanzverwaltung und der Strafverfolgungsbehörden in die Regelung aufgenommen (§ 4 Abs. 5 Nr. 10 Einkommensteuergesetz).

Unternehmen wollte Mitteilung untersagen lassen

Diese Mitteilungspflicht war Gegenstand eines Antrags auf einstweilige Anordnung, mit dem ein Unternehmen dem Finanzamt untersagen lassen wollte, die Staatsanwaltschaft über Zahlungen zu informieren, die es in der Vergangenheit in Höhe von 10 v.H. des Wertes der bestellten Waren an den Einkäufer eines maßgeblichen Kunden geleistet hatte. Zwar wurde nicht in Abrede gestellt, dass die Zahlungen geflossen waren, um weiterhin die bevorzugte Berücksichtigung als Lieferant des Kunden sicherzustellen. Die Antragstellerin war aber Meinung, dass die Mitteilung unterbleiben müsse, weil die in der Betriebsprüfung gewonnenen Erkenntnisse mangels entsprechender Belehrung nicht strafrechtlich verwertet werden dürften und außerdem inzwischen Strafverfolgungsverjährung eingetreten sei.

BFH: Tatsachen, die den Verdacht einer Korruptionstat begründen müssen der Staatsanwaltschaft mitgeteilt werden

Das Finanzgericht und auf die Beschwerde hin der Bundesfinanzhof wiesen den Antrag zurück. Das Gericht betont, dass der Wortlaut der einschlägigen Bestimmung das Finanzamt verpflichte, Tatsachen, die den Verdacht einer Korruptionstat begründeten, der Staatsanwaltschaft mitzuteilen. Einen Spielraum, der eine selbständige Prüfung erlaube, ob eine strafrechtliche Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft überhaupt in Betracht komme oder von vornherein ausgeschlossen sei, räume die Vorschrift der Finanzbehörde nicht ein. Die Prüfung, ob eine Strafverfolgung einzuleiten sei, obliege allein den Strafverfolgungsbehörden. Die Herrschaft der Staatsanwaltschaft über das Ermittlungsverfahren müsse auch im Verhältnis zur Finanzbehörde gelten. Selbst in einem offensichtlich strafverfolgungsverjährten Fall stelle die Offenbarung keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte des Steuerpflichtigen dar, denn in einem solchen Fall habe dieser keine Ermittlungen der an Recht und Gesetz gebundenen Staatsanwaltschaft zu befürchten.

der Leitsatz

1. Begründen Tatsachen den Verdacht einer Tat, die den Straftatbestand einer rechtswidrigen Zuwendung von Vorteilen i.S. des § 299 Abs. 2 StGB erfüllt, so ist die Finanzbehörde ohne eigene Prüfung, ob eine strafrechtliche Verurteilung in Betracht kommt, verpflichtet, die erlangten Erkenntnisse an die Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten.

Das Recht auf "informationelle Selbstbestimmung" und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebieten es nicht, dass das FA vor der Übermittlung der den Tatverdacht begründenden Tatsachen prüft, ob hinsichtlich der festgestellten Zuwendungen Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist oder Verwertungs- bzw. Verwendungsverbote vorliegen.

2. Ein Verdacht i.S. des § 4 Abs. 5 Nr. 10 Satz 3 EStG, der die Information der Strafverfolgungsbehörden gebietet, besteht, wenn ein Anfangsverdacht im Sinne des Strafrechts gegeben ist. Es müssen also zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Tat nach § 4 Abs. 5 Nr. 10 Satz 1 EStG vorliegen.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 29.08.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 79/08 des BFH vom 27.08.2008

Vorinstanz:
  • Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 13.02.2008
    [Aktenzeichen: 4 V 630/07]
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