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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.08.1976
3 AZR 720/75 -

Arbeitszeugnis muss Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitnehmers lückenlos wiedergeben

Arbeitgeber vernachlässigt Sorgfaltspflicht, wenn relevante Aufgaben und Tätigkeiten unerwähnt bleiben

Ein Arbeitszeugnis muss die Tätigkeiten und Aufgaben des Arbeitnehmers so genau wiedergeben, dass sich ein potenzieller neuer Arbeitgeber ein umfassendes Bild von den Kenntnissen und Fertigkeiten des Bewerbers machen kann. In der Bewertung der Leistungen verfügt der Arbeitgeber jedoch über einen weitaus größeren Ermessensspielraum. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht.

Im zugrunde liegenden Fall klagte ein Mann gegen seinen Arbeitgeber, nachdem ihm dieser ein angeblich mangelhaftes Zeugnis ausgestellt hatte. Die Ursache für seine nur vorübergehende berufsfremde Weiterbeschäftigung und anschließende Arbeitslosigkeit sah er vor allem in diesem Zeugnis begründet. Vor Gericht wollte er deshalb einen Schadensersatzanspruch gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber geltend machen.

Kläger bemängelt unvollständige Tätigkeitsbeschreibung und verschlüsselte Formulierungen

Der Kläger beanstandete vor allem die unvollständige Darstellung seiner Aufgabengebiete und die fehlende Erwähnung einzelner für seinen beruflichen Werdegang bedeutsamer Vorkommnisse. In der Formulierung "Herr Z. führte alle ihm übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit aus" sah er zudem eine verschlüsselte Formulierung, die in Wahrheit zum Ausdruck bringe, dass seine Leistungen nur ausreichend gewesen wären. Der Kläger verlangte die Erteilung eines Zeugnisses nach seinen eigenen Formulierungsvorschlägen.

Arbeitgeber: Wahrheitsgemäße Beurteilung der Leistungen des Klägers

Der Arbeitgeber verlangte die Klageabweisung mit der Begründung, die Beurteilung der Leistungen als "mittelmäßig" würden der Wahrheit entsprechen. Außerdem verlange der Kläger zu Unrecht die Erwähnung von Aufgaben, die er entweder gar nicht wahrgenommen habe oder die seine Tätigkeit nur unwesentlich geprägt hätten.

Beweispflicht liegt beim Kläger, dass Arbeitslosigkeit auf Inhalt des Zeugnisses zurückzuführen ist

Das Gericht wies die Forderungen des Klägers zurück. In einigen Punkten konnte dem Vortrag des Mannes zwar gefolgt werden, jedoch müsse er den Beweis für die von ihm erhobenen Vorwürfe erbringen, dass seine Arbeitslosigkeit auf den Inhalt des Zeugnisses zurückzuführen sei. So müsse er nachweisen, dass bestimmte Arbeitgeber an ganz konkreten Formulierungen und Tätigkeitsbeschreibungen interessiert waren, die im Zeugnis keine Erwähnung fanden.

Formulierung von Werturteilen ist Sache des Arbeitgebers

Das Gericht räumte entsprechend dem Vorwurf des Klägers ein, dass in der Arbeitswelt verschlüsselte Formulierungen existieren würden. Diese seien daran zu erkennen, dass es sich um ständig wiederkehrende floskelhafte Sätze handele, die wohlwollender klingen würden als sie gemeint sind. Die Abweichungen vom allgemeinen Sprachgebrauch seien im vorliegenden Fall allerdings nicht so groß, dass sie diese Vermutung stützen würden. Auch sei die Formulierung von Werturteilen Sache des Arbeitgebers und ein gewisser Beurteilungsspielraum dabei unvermeidlich. Hier ließen sich keine Vorschriften oder Regelungen anwenden.

Verletzung der Sorgfaltspflicht des Arbeitgebers bei unvollständiger Tätigkeitsbeschreibung

Hingegen stimmte das Gericht der Kritik des Klägers an der unvollständigen Beschreibung seiner Tätigkeit zu. Die Beschreibungen der Tätigkeiten des Arbeitnehmers müssen nach Meinung des Gerichts so vollständig und genau ausfallen, dass sich künftige Arbeitgeber ein klares Bild von den Kenntnissen und Fertigkeiten des Arbeitnehmers machen können. Ob die einzelnen Tätigkeiten nach Umfang und Art dabei besonders bedeutungsvoll waren, ist nicht ausschlaggebend. Sie müssen lediglich dazu ausreichen, sie im Falle einer Bewerbung für den neuen Arbeitgeber interessant erscheinen zu lassen. Unwesentliches dürfe zwar verschwiegen werden, jedoch nicht die Tätigkeiten, die ein Urteil über Kenntnisse und Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers erlauben. Das Auslassen von Tätigkeiten im Zeugnis könne als Vernachlässigung der erforderlichen Sorgfalt ausgelegt und damit als fahrlässiges Handeln nach § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB gewertet werden.

Das Urteil ist aus dem Jahr 1976 und erscheint im Rahmen der Reihe "Wissenswerte Urteile".

der Leitsatz

Ein Zeugnis muss Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer im Laufe des Arbeitsverhältnisses ausgeübt hat, so vollständig und genau beschreiben, dass sich künftige Arbeitgeber ein klares Bild machen können. Unerwähnt dürfen solche Tätigkeiten bleiben, denen bei einer Bewerbung des Arbeitnehmers keine Bedeutung zukommt.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 05.01.2012
Quelle: ra-online, Bundesarbeitsgericht (vt/st)

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