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Arbeitsgericht Darmstadt, Urteil vom 12.06.2014

Bewerberin hat keinen Anspruch auf Entschädigung wegen behaupteter Benachteiligung aufgrund Übergewichts

Arbeitsgericht Darmstadt verneint Diskriminierung wegen einer Behinderung und weist Klage auf Schmerzens­geld­zahlungen von 30.000 Euro ab

Das Arbeitsgericht Darmstadt hat die Klage einer Bewerberin auf 30.000 Euro Schmerzensgeld wegen Diskriminierung aufgrund ihres Gewichts abgewiesen. Die Frau war wegen einer Nachfrage ihres potentiellen neuen Arbeitsgebers zu ihrem Körpergewicht der Auffassung, dass sie die ausgeschriebene Stelle als Geschäftsführerin des eingetragenen Vereins aufgrund ihres Übergewichts nicht bekommen hätte. Das Arbeitsgericht Darmstadt verneinte jedoch eine Diskriminierung wegen einer Behinderung und wies Klage ab.

Die 1972 geborene Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls verlangte von den Beklagten zu 1) und 2) Entschädigung und Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro. Ihre Begründung lautet, sie sei als Stellenbewerberin von diesen wegen vermeintlichen Übergewichts und damit wegen einer angenommenen Behinderung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) benachteiligt worden. Hilfsweise stützt sie die geltend gemachten Ansprüche u. a. auf eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes.

Bei dem Beklagten zu 1), einem eingetragenen Verein, handelt es sich um eine Patientenorganisation auf Bundesebene, welche ausschließlich gemeinnützige Ziele im Rahmen der Gesundheitsförderung verfolgt. Seine Mitglieder sind Selbsthilfegruppen und Einzelmitglieder sowie Förderer. Die Beklagte zu 2) war als stellvertretende Vorsitzende und kommissarische Geschäftsführerin des Beklagten zu 1) mit der beabsichtigten Einstellung der Klägerin als Geschäftsführerin befasst.

Vorstandsmitglied stellt Bewerberin Fragen zu ihrem Körpergewicht

Die Beklagte zu 2) und ein weiteres Vorstandsmitglied führten mit der Klägerin ein Vorstellungsgespräch. Sie vereinbarten mit der Klägerin ein weiteres Vorstellungsgespräch. Vor dem geplanten weiteren Vorstellungsgespräch schrieb die Beklagte zu 2) die Klägerin an und fragte sie, was dazu geführt habe, dass sie kein Normalgewicht habe. Es gehe auch darum, dass die Klägerin bei Mitgliederversammlungen anwesend sein müsse und dass vielen Mitgliedern immer wieder gesagt werden müsse, dass sie das Thema Übergewicht ausschalten müssten [...]. In ihrem jetzigen Zustand wäre die Klägerin natürlich kein vorzeigbares Beispiel und würde die Empfehlungen des Vereins für Ernährung und Sport konterkarieren.

Zu dem vereinbarten zweiten Vorstellungsgespräch erschien die Klägerin nicht.

Klägerin verlangt Entschädigung von mindestens 30.000 Euro

Die Klägerin behauptet, die Beklagte zu 2) habe ihrem Ehemann gegenüber deutlich gemacht, sie brauche zu dem zweiten Vorstellungsgespräch nicht zu erscheinen, wenn sie die Gründe für ihr Übergewicht nicht nennen wolle. Sie meint, als Entschädigung sei ein Jahresgehalt, mindestens aber 30.000 Euro zu zahlen, denn die Entschädigung müsse eine abschreckende Wirkung haben.

Klägerin wurde wegen Nichterscheinens zum zweiten Vorstellungsgespräch nicht eingestellt

Die Beklagten bestreiten, dass die Klägerin wegen ihres vermeintlichen Übergewichts bzw. einer angenommenen Behinderung nicht eingestellt worden sei. Die Klägerin sei nicht eingestellt worden, weil sie ohne Angabe von Gründen zu dem zweiten Vorstellungsgespräch nicht erschienen sei. Die Zahlung einer Entschädigung in der Höhe von 30.000 Euro sei für sie existenzvernichtend.

Arbeitsgericht verneint Anspruch auf geltend gemachte Forderungen

Das Arbeitsgericht Darmstadt entschied, dass die geltend gemachten Ansprüche nicht bestehen. Die geltend gemachten Ansprüche ergeben sich nicht aus § 15 Abs. 2 AGG. Es liegt keine Diskriminierung wegen einer Behinderung im nationalen/unionsrechtlichen Sinne vor. Die Klägerin ist unstreitig nicht behindert und auch tatsächlich nicht so übergewichtig, dass eine Behinderung im nationalen/unionsrechtlichen Sinne in Betracht käme. Es ist auch nicht ausreichend deutlich geworden, dass die Beklagte bei ihrer ablehnenden Entscheidung von einer Behinderung im Rechtssinne ausgegangen ist.

Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegt nicht vor

Der geltend gemachte Anspruch auf Schmerzensgeld ergibt sich auch nicht aus anderen Anspruchsgrundlagen wie z. B. der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes. Es liegt kein widerrechtlicher Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin vor. Es steht nicht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass die Klägerin in erster Linie wegen ihres vermeintlichen Übergewichtes nicht eingestellt worden ist. Hiergegen spricht bereits der Umstand, dass die Klägerin zunächst zu einem zweiten Vorstellungsgespräch eingeladen wurde.

Sofern die Beklagten sich bei der Entscheidung, ob die Klägerin als Geschäftsführerin eingestellt wird, auch von dem äußeren Erscheinungsbild der Klägerin und ihrer mangelnden Bereitschaft, sich hierüber auszutauschen, bestimmen ließen, liegt hierin kein widerrechtlicher Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht.

Vereint musste Entscheidung über Einstellung der Klägerin nicht gänzlich unabhängig vom äußeren Erscheinungsbild der Bewerberin treffen

Eine Rechtspflicht des Beklagten, seine Entscheidung über die Einstellung gänzlich unabhängig vom äußeren Erscheinungsbild der Klägerin zu treffen, besteht nicht. Vielmehr durfte die Beklagte in ihre Erwägungen auch einbeziehen, ob die Klägerin aufgrund ihrer Gesamtpersönlichkeit und Erscheinung bereit und in der Lage ist, die Anliegen des Vereins, namentlich dessen Empfehlungen für ein gesundheitsbewusstes Verhalten, überzeugend zu vertreten.

Ein Anspruch auf Schmerzensgeld besteht auch nicht im Hinblick auf die Äußerungen der Beklagten, welche diese (angeblich) über das äußere Erscheinungsbild der Klägerin getätigt hat. In jedem Fall ist der hierin liegende Eingriff nicht so schwerwiegend, dass er durch die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes auszugleichen wäre.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 13.06.2014
Quelle: Arbeitsgericht Darmstadt/ra-online

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