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Amtsgericht Ulm, Urteil vom 05.08.1986
6 C 968/86 - 03 -

Vermieter kann Mieter zum Winterdienst verpflichten: Mieter haftet für Sturz, wenn er seiner Räumpflicht / Streupflicht nicht nachgekommen ist

Winterdienst kann über in den Mietvertrag einbezogene Hausordnung auf Mieter übertragen werden

Ein Vermieter kann den Winterdienst auf einen Mieter übertragen. Dann ist der Mieter verantwortlich und schadensersatzpflichtig, wenn er den Gehweg nicht streut und eine Mitmieterin auf dem Weg zu den Müllcontainern infolge Glatteises zu Fall kommt und sich dabei verletzt. Dies geht aus einem Urteil des Amtsgerichts Ulm hervor.

Im zugrunde liegenden Fall verklagte eine Mieterin (Klägerin) einen anderen Mieter (Beklagter) wegen Verletzung der Streupflicht.

Hausordnung verpflichtete Mieter zum Winterdienst

Beide waren Mieter in einem Wohnblock in Ulm-Wiblingen. In der Hausordnung des Wohnblocks, die über die jeweiligen Mietverträge in die Vertragsbeziehungen zwischen Vermieter und Mieter einbezogen worden war, war eine zwischen den Mietern wechselnde "Kehrwoche" bestimmt. Diese Kehrwoche umfasste im Winter das Räumen bzw. Streuen der Zugangswege außerhalb des Gebäudes.

Klägerin rutsche auf Glatteis aus

Als die Klägerin am 21. November 1985 gegen 11.15 Uhr Hausabfälle in den Müllcontainer vor dem Wohnblock werfen wollte, rutschte sie beim Begehen des Weges aus und fiel hin. Sie zog sich eine Steißbeinfissur zu. Es hatte in der Nacht und auch am Vormittag leicht geschneit. Der Weg, der zu den Müllcontainern führte, war mit einer leichten Schneedecke bedeckt, unter der sich teilweise Glatteis gebildet hatte.

Klägerin verklagt Mitmieter wegen Verletzung der Streupflicht

Durch den Sturz war die Klägerin ca. 1 ½ Monate zu 100 % arbeitsunfähig. Auch danach war ihre Erwerbsfähigkeit noch für lange Zeit zu 20 % gemindert. Die Klägerin verklagte den Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 DM sowie u.a auf Erstattung von Arztkosten und Attestkosten. Der Beklagte habe am Unfalltag Kehrwoche gehabt. Er habe gegen die von ihm übernommene Streupflicht verstoßen, als er den Gehweg ungeräumt und ungestreut bis zur Mittagszeit gelassen habe, argumentierte sie.

Amtsgericht: Beklagter hat gegen Streupflicht verstoßen

Das Amtsgericht Ulm gab der Klägerin zum überwiegenden Teil Recht, nämlich zu 3/4. Der Beklagte hafte, weil er die Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Die Klägerin trage aber ein Mitverschulden in Höhe von 1/4. Daher sei hier ein Schmerzensgeld von 1.500 DM als angemessen anzusehen. Auch die übrigen Ansprüche seien um 1/4 zu kürzen.

Gericht: Beklagter war zum Winterdienst verpflichtet

Der Beklagte hafte der Klägerin auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht (§ 823 Abs. 1 BGB). Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, bei Glättebildung auf dem Grundstück, diese zu beseitigen, damit Personen, die dort zulässigerweise verkehren, nicht zu Schaden kämen, führte das Gericht aus.

Beklagter hat Winterdienst durch vertragliche Vereinbarung übernommen

Grundsätzlich treffe die Streupflicht zunächst den Grundstückseigentümer. Er könne sie jedoch auch einem Dritten durch vertragliche Vereinbarung übertragen. Dann hafte der Dritte ebenfalls wie ein Verkehrssicherungspflichtiger wegen der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht deliktisch, führte das Amtsgericht weiter aus.

Hier habe der Beklagte die primär der Vermieterin obliegende Pflicht den Zugang zu dem Wohnblock sicher zu gestalten in Form der Streupflicht durch den Mietvertrag übernommen. Er habe dadurch gegenüber der Vermieterin und den Mitbewohnern den Vertrauenstatbestand gesetzt, dass er die der Vermieterin obliegenden Pflichten selbst übernehmen werden. Diese Verpflichtung bedeutete, dass der Beklagte den Gehweg zu den Müllcontainern und dem Hauseingang bei Bedarf zu streuen hatte und notfalls zu räumen hatte.

Klägerin trägt Mitschuld

Die Klägerin müsse sich jedoch ein Mitverschulden zurechnen lassen (§ 254 BGB). Für sie sei erkennbar gewesen, das der Weg durch den gefallenen Schnee glatt war. Ebenso wie man dem Beklagten vorhalten müsse, dass er die Begehbarkeit prüfen müsse, um seine Streupflicht festzustellen, sei der Klägerin vorzuhalten, dass sie die Gefahr erkennen konnte. Denn was für den Beklagten erkennbar war, war auch für sie zu erkennen. Wenn die Klägerin dennoch den Weg benutzte, so geschah dies in Kenntnis der Gefahr.

Gericht: Klägerin hätte Gefahr vermeiden können - Klägerin hätte vorsichtiger sein können

Die Klägerin hätte diese Gefahr vermeiden können, wenn sei darauf verzichtet hätte, den Müll in den Müllcontainer zu bringen, bis der Weg ausreichend gestreut gewesen wäre. Notfalls hätte sie sich selbst mit den für die Mieter zur Verfügung gestellten Streumitteln einen Wege streuen können. Zudem sei nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass das Begehen eines Weges, der nicht spiegelglatt und abschüssig sei, bei besonderer Vorsicht auch ohne Sturz möglich ist. Dafür spreche auch, dass der Weg schon von anderen Mietern benutzt worden war.

Das Urteil ist aus dem Jahr 1986 und erscheint im Rahmen der Reihe "Gut zu wissen".

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 17.12.2010
Quelle: ra-online, Amtsgericht Ulm (vt/pt)

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